Drei pfiffige Gesellen Die Haustür ging auf. Schlurfende Schritte! Klappern im Flur! Dann näherten sich die Schritte, kamen ins Schlafzimmer. Die Schranktür öffnete sich! Grelles Licht fiel in das Innere. Röcke, Blusen und Mäntel auf der Kleiderstange wurden beiseite geschoben. Erschrocken sah Susi nach oben, erblickte das Gesicht einer alten Frau. Ängstlich drückte sich die Puppe näher an den Stoffbären und die kleine Eisenbahn. Doch nichts Schlimmes passierte, sondern zarte Hände streichelten über das rosa Puppenkleidchen und wanderten hinüber zu dem braunen Teddy. „Bald ist es so weit, bald ist Heiligabend. Gleich werde ich euch in buntes Weihnachtspapier wickeln und unter den geschmückten Baum legen. Hoffentlich freuen sich meine Enkel über euch.“ Dann schloss sich die Schranktür wieder und Finsternis umgab die drei Spielsachen. „Schon wieder ist es dunkel“, meckerte die kleine Lok und rangierte auf einer kurzen Schiene hin und her. Ihre winzigen Scheinwerfer genügten nicht, um das Schrankinnere zu erhellen. „Jetzt gib endlich Ruhe“, schimpfte der braune Bär. „Mir wäre es auch viel wohler, wenn ich endlich aus diesem muffigen Schrank käme“, meldete sich die Puppe und strich ihr steifes Kleidchen glatt. „In dem Spielzeuggeschäft hat es viel besser gerochen als hier.“ „Sei froh, dass dich eingebildete Tussi überhaupt jemand gekauft hat“, brummte der Stoffbär. „Hat lange genug gedauert, bis dich die alte Frau hierher gebracht hat. Ich bin schon viel länger hier drinnen.“ „Jetzt seid friedlich, ihr beiden. Wenn wir uns hier zoffen, bringt es keinem etwas. Hoffen wir mal, dass wir hier bald rauskommen. Ich glaube, morgen ist Weihnachten, da landen wir bestimmt unter den Weihnachtsbaum.“ „Hast recht, Löckchen!“, flötete die Puppe. „Mit so einem brummigen Kerl gebe ich mich doch erst gar nicht ab.“ Bevor sie weiter streiten konnten, hörten sie draußen Schritte. Dann öffnete sich erneut die Schranktür. Eine runzelige Hand griff zunächst nach der Puppe, dann nach dem Bären und zuletzt wurde die Eisenbahn zusammen mit den Schienen aus dem Inneren gehoben. Die alte Frau brachte alle drei Geschenke ins Wohnzimmer und legte sie auf den Tisch. In diesem Moment begann der Wasserkessel in der Küche zu pfeifen. „Ich bin gleich wieder zurück. Nicht dass ihr drei mir fortlauft“, lachte die Alte und verließ das Wohnzimmer. „Als ob wir hier verschwinden könnten! Mit diesen Schienen komme ich sowieso nicht weit, denn ich fahre nur im Kreis“, knurrte die kleine Lok. Als sie Richtung Fenster fuhr, sah sie ein Gesicht an der Scheibe, neben dem ein zweites auftauchte. „Wer ist das? Ob das die Enkel von der alten Frau sind?“, fragte der Bär und winkte den beiden zu. „Aber das sind doch zwei Jungen. Die spielen doch nicht etwa mit Puppen?“ Pikiert hob die Puppe ihre Augenbraue. Sogleich klingelte es an der Haustür. Die drei hörten, wie die Alte die Tür öffnete. „Ach, was wollte ihr beiden denn hier?“ „Hast du ein paar Plätzchen für uns?“, hörten sie einen der Jungen fragen. „Aber natürlich. Kommt rein. Ich habe gestern gerade welche gebacken.“ „Darf ich mal auf die Toilette?“, fragte gleich darauf der andere Junge. „Die zweite Türe links.“ Dann kam jemand näher, betrat das Wohnzimmer und grinste die Spielzeuge an. „Hähä, da hab ich euch! Ihr drei gehört jetzt mir!“ Dreckige Finger griffen nach der Puppe. „Ihr bekommt uns nicht!“, rief die Lok. „Ihr seid nämlich nicht die Enkel der alten Frau!“ Der Junge lachte höhnisch und packte Puppe Susi am rosa Kleidchen. Da kam Bewegung in die kleine Dame. Sie fuhr ihre Krallen aus und kratzte den Angreifer mit ihren langen Fingernägeln. „Autsch!“, schrie der Bengel unterdrückt auf. „Das wirst du mir büßen!“ Doch da hatte er die Rechnung ohne den Bären gemacht. Mit lautem Brummen warf er sich gegen den Arm des Jungen und brachte ihn fast zum Fallen. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, stützte der Bengel sich auf den Schienenkreis der Lok auf. Die kleine Eisenbahn zögerte keine Sekunde, fuhr los und ratterte über die Hände des Buben. Wieder schrie dieser auf. „Was ist denn hier los?“, hörte man die Stimme der alten Frau aus der Küche. Schlurfende Schritte näherten sich dem Wohnzimmer. „Was machst du hier?“, fragte sie beim Eintreten. „Ich dachte, du wolltest auf die Toilette?“ Zornig drehte sich der Junge um. Tränen der Wut und des Schmerzes standen ihm in den Augen. „Dein Spielzeug ist verhext! Ja, verhext ist es!“, brüllte er und rannte an der Alten vorbei. „Los, komm, wir hauen ab hier!“, rief er seinem Freund zu, der noch in der Küche an den Plätzchen naschte. „Warum, was ist denn los? Hast du die Sachen? Ohne die brauchen wir gar nicht bei Hugo antanzen. Der macht Mus aus uns, wenn wir nichts abliefern!“ „Dann versuch du es doch. Ich geh da nicht mehr ins Wohnzimmer!“ Und schon fiel die Haustür hinter dem Davoneilenden ins Schloss. Der zweite Junge sah sich unschlüssig um, folgte aber seinem Freund bevor die alte Frau ihn festhalten konnte. Kopfschüttelnd betrat diese wieder das Wohnzimmer und starrte auf den Tisch, wo die Puppe, der Bär und die kleine Lok genau noch so lagen, wie sie sie hingelegt hatte. Erneut klingelte es an der Tür. „Was ist denn heute nur los?“, brummte die Alte und schlurfte hinaus. „Das ging ja noch einmal gut“, sagte Susi zu ihren beiden Freunden. „Ja, aber die beiden Diebe sind entkommen“, brummte der Teddy. „Wohl eher nicht.“ Die Lok pfiff und deutete durch das Fenster hinaus in den Schnee. Dort standen zwei Polizisten, die alte Frau und … ja, und die zwei Bengel. „Was wollten sie bei Ihnen stehlen?“, hörten sie einen Beamten fragen. „Hinter denen sind wir schon eine ganze Weile her. Nur gut, dass der eine von ihnen wegen seiner Verletzung zum Arzt musste und dort irgendetwas Wirres erzählte.“ „Da spukt es wirklich! Glauben Sie mir doch, Herr Wachtmeister!“ Der Junge, der vorher im Wohnzimmer war, versuchte sich aus dem Griff des Polizisten zu befreien. „Er berichtete von einer Puppe, die ihn kratzte, einem Bären, der ihn umwarft und einer Lokomotive, die ihm über die Hände fuhr. Er deutete dann auf ihr Haus. Und da war uns klar, dass Sie dieses Mal das Opfer waren“, ergänzte der zweite Polizist. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ „Ja, Herr Wachtmeister. Bei mir ist alles in Ordnung. Bis auf ein paar Plätzchen, die ich den beiden Bengeln gönne, habe ich keinen Schaden erlitten.“ „Na, dann wünschen wir Ihnen schöne Weihnachten.“ Die Beamten tippten an ihre Polizeimütze und stapften davon, die zappelnden, jungen Einbrecher in ihrer Mitte. Langsam ging die alte Frau zurück in ihr Haus und erschien gleich darauf im Wohnzimmer. „So, so, bei mir soll es spuken. Das kann ich gar nicht glauben. Na ja, wenigstens haben sie euch drei hier gelassen und ich kann euch nun in hübsche Pakete packen und unter den Weihnachtsbaum legen. Aber wehe, ihr spukt bei meinen Enkeln auch herum!“ Spielerisch drohte sie mit ihrem Finger. Als sie die Spielsachen anschaute, glaubte sie, sowohl bei der Puppe, als auch bei dem Bären und der Lok ein leichtes Lächeln zu erkennen. Aber das war natürlich nur Einbildung! Doch dieses Lächeln verging den dreien bald. Denn als sie in Weihnachtspapier gewickelt waren, hörte man aus jedem Paket: „Schon wieder ist es dunkel!“