Der kleine Junge auf der Mauer In einer kleinen Stadt vor langer Zeit saß ein kleiner Junge jeden Nachmittagauf einer Mauer an der Straße. Er saß da jeden Tag Stundenlang und jedem der vorbei kam fragte er, ob er einen Moment Zeit hätte um ihm eine Frage zu beantworten. Es waren keine schwierigen Fragen oder solche, auf die man keine Antwort wüßte, es waren Fragen, die jeder halbwegs Gebildeter ohne Mühe beantworten konnte. Viele gingen aber vorbei, ohne ihn zu beachten oder warfen ihm nur böse Blicke oder sogar gemeine Bemerkungen zu, aber es gab auch einige Wenige, die innehielten um dem Jungen seine Frage zu beantworten. Er hatte sehr viele Fragen zu vielen verschiedenen Themen, aber er stellte stets jedem Passanten nur eine Frage, er wollte sie wohl nicht zu lange aufhalten und bedankte sich immer sehr, wenn er eine Antwort bekam. Man konnte ihm ansehen, wie sehr er sich über jede erhaltene Antwort freute. So soll es sich über ein paar wenige Jahre zugetragen haben. Sehr wenige Menschen gingen gezielt an der Mauer vorbei, viele wechselten aber die Straßenseite um von den Jungen nicht angesprochen zu werden auch nicht wenige mieden diesen Straßenabschnitt ganz und schlugen lieber einen kleinen Umweg ein. Es wurde aber viel über ihn geredet in dieser kleinen Stadt, meistens aber eher abfällig,
„Hat er denn kein Zuhause?“; „Können seine Eltern ihn nicht besser erziehen?“;
„Was hat der Junge dort auf der Mauer überhaupt zu suchen?“; so in dieser Art.
Man wußte nichts weiter von dem Jungen, kannte weder seinen Namen noch seine Eltern, aber es schien, als sei er allen Leuten bekannt, aber nur als `der Junge auf der Mauer´ . Auch die Leute, die ihm seine Fragen beantworteten kannten nichts von ihm, denn über sich erzählte er nie etwas und wich geschickt solchenFragen aus.
Eines Tages war der kleine Junge nicht mehr auf der Mauer und in der kleinen Stadt ging diese Nachricht um wie ein Lauffeuer. Wo war er geblieben, ist er weggezogen oder sind ihm seine Fragen ausgegangen? Obwohl ihn niemand näher kannte wurde er vermißt, selbst von den Leuten, die niemals mit ihm gesprochen hatten oder einen Bogen um ihn machten. Es wurde gerätselt und rumgefragt, und selbst viele, die ihn nie Beachtung schwenkten zeigten plötzlich Interesse an den Jungen auf der Mauer. Er gehörte irgendwie zu Stadt und nun fehlte der kleinen Stadt etwas, etwas was man hinnahm, wovon man wußte, daß es da war, aber dem man sonst keine große Aufmerksamkeit schenkte. Es war seltsam, aber man spürte, daß der kleinen Stadt etwas fehlte.
Viele Jahre später wurde bekannt, daß der kleine Junge auf der Mauer sehr krank gewesen und verstorben sei. Er hätte gewußt, daß er nicht lange zu Leben hatte und man fragte sich nun, warum wollte dieser Junge so viel wissen, was konnte der denn damit anfangen wo der doch wußte das ihm nicht viel Zeit auf der Erde verblieb. Warum hatte er nie von seinem Schicksal gesprochen? Wollte er nicht, daß man nur aus Mitleid mit ihm sprach? Sehr viele Menschen waren traurig, weil sie sich nie den Moment genommen hatten dem Jungen einer seiner Fragen zu beantworten, aber es gab auch einige, die es mit Stolz und Glück erfüllte, sich für diesen Jungen auf der Mauer die Zeit genommen zu haben, ihm auf einer seiner vielen Fragen eine Antwort gegeben zu haben.Stadt, Eltern erzählten ihren Kindern von ihm und in der Schule lassen es sich die Lehrer nicht nehmen, von ihm zu berichten. An der Mauer, an der Stelle, wo der Junge immer saß, brachte ein Unbekanntereine Tafel an mit der Inschrift
„Nimm Dir bitte einen Moment Zeit für mich und beantworte mir eine Frage“
Er war nur ein kleiner fragender Junge auf einer Mauer in einer kleinen Stadt, er hat nichts Großartiges geleistet, aber allein seine Anwesenheit hat dazu geführt, daß man ihn zumindest in seiner kleinen Stadt wohl nie vergessen wird.
Selbst heute nach Jahrzehnten spricht man noch über diesen Jungen auf der Mauer in der kleinen Stadt.