Wer glaubt, für Fremdenfeindlichkeit brauche es Menschen aus fremden Ländern, irrt. Nach dem verlorenen Krieg drängten sich Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten in Rest-Deutschland. Heute gilt ihre Aufnahme als vorbildlich – doch in Wahrheit schlugen ihnen damals Hass und Verachtung entgegen und der offen ausgesprochene Gedanke, nicht nach Westdeutschland, sondern nach Auschwitz zu gehören.
Der Volkszorn kocht, und der Redner weiss genau, was die Leute hören wollen: «Die Flüchtlinge müssen hinausgeworfen werden, und die Bauern müssen dabei tatkräftig mithelfen», ruft Jakob Fischbacher*. Der Kreisdirektor des bayerischen Bauernverbandes giesst kräftig Öl ins Feuer und nimmt sogar das Nazi-Wort «Blutschande» in den Mund.
Was hier nach Sachsen im Jahr 2016 klingt, ist Bayern im Jahr 1947. Und die Flüchtlinge, die Fischbacher hinauswerfen will, kommen nicht aus Syrien – es sind deutsche Vertriebene, Flüchtlinge aus den Ostgebieten. «Blutschande» ist für den Bauern-Funktionär, «wenn ein Bauernsohn eine norddeutsche Blondine heiratet.»
Die aktuelle Flüchtlingskrise erinnert an jene andere Fluchtwelle am Ende des Zweiten Weltkrieges, als Deutschland Millionen von Vertriebenen aufnehmen musste. Doch damals war die Belastung für die Bevölkerung ungleich höher als heute. Und anders als im oft verklärenden Rückblick – etwa wenn in Schulbüchern von der «erfolgreichen Integration» die Rede ist – war der Empfang für die Neuankömmlinge nicht gerade herzlich.
Ich hab als Kind bis etwa 1960 noch Menschen in Quedlinburg in den Flüchtlingsbaracken gesehen. Und ja, ich erinnere mich, dass selbst von meiner roten Mutter dorthin verächtlich geschaut wurde. Die Vertriebenen konnten aber für ihr Schicksal nichts. Wurden dann oft sogar als Zigeuner diffamiert, wobei die es in der DDR nochmals ungleich schwerer hatten. Die wurden ab den frühen 1960ern förmlich im Ort festgenagelt. Wanderschaft war verboten. Und man war von oben herab sogar stolz, das Wandervolk sesshaft gemacht, ja zur Sesshaftigkeit gezwungen zu haben.