Winston war gerade aus seinem Ei geschlüpft – eine neue haarige Raupe geboren in eine gefährliche neue Welt. Aber Winston war klug. Er würde überleben, sogar bestens gedeihen. Winston hatte nämlich einen immensen Appetit und wuchs rasend schnell. Ab und zu unterbrach Winston sein unaufhörliches Mampfen, um sich ein wenig umzuschauen. Über dem Gebüsch, in dem er lebte, erstreckte sich ein weiter blauer Himmel, unter ihm nur Erde. Er hatte keine Vorstellung, wo er hergekommen war. Er vermutete, er wäre irgendwie durch Zufall in die Welt gekommen. Oder er hätte sich gar selbst erschaffen. Manchmal meinte er, schattenhafte Erscheinungen vorbei huschen zu sehen, aber er tat sie als freie Erfindung seiner Phantasie ab. Sie gehörten eindeutig nicht zu seiner kleinen Welt im Unterholz. Eines Tages ließ sich aber eines dieser Schattenwesen genau neben ihm nieder. Erschrocken hörte Winston auf zu kauen und schaute auf. »Wer bist du?« platzte er heraus. »Erkennst du deinesgleichen nicht? Ich bin ein Schmetterling, so wie du auch mal einer werden wirst. Du wirst dieses kleine Gebüsch hinter dir lassen, mit dem Wind dahin gleiten und die Welt sehen, wie sie wirklich ist.« »Ich? Ein Schmetterling? Bah!«, protestierte Winston. »Ich bin eine Raupe. Punkt. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest...« »Es funktioniert nun mal so«, versuchte der Schmetterling geduldig zu erklären. »Erst spinnst du einen Kokon um dich herum. Dann legst du dich für ein paar Wochen schlafen. Dann wachst du auf, weil es dich überall kribbelt. Das sind die Säfte, die in deine Flügel fließen, die dir wuchsen, während du schliefst. Du wackelst mit deinen Füßen und entdeckst, dass du statt der Dutzend vorher nur noch sechs besitzt – dafür sind sie viel länger! Dann fängst du an, Platzangst in deinem Kokon zu bekommen – richtig panisch – und du schaffst dir einen Weg hinaus. Dann probierst du deinen neuen Körper aus, schlägst ein paar Mal mit den Flügeln und schon kannst du dich in die Lüfte erheben.« »Unsinn!« erwiderte Winston. »Hältst du mich für einen Idioten? Ich bin eine Raupe!« Der Schmetterling versuchte noch mit verschiedenen Argumenten ihn zu überzeugen, aber gab schließlich auf. »Denk was du willst«, sagte er traurig, bevor er davon flog. Jedes Mal, wenn Winston an den folgenden Tagen an den Schmetterling dachte, musste er grinsen, und sagte bei sich jedes Mal ein bisschen überzeugter: »Unsinn!!« Dann eines Tages, meinte Winston ein Flüstern zu vernehmen. »Spinne einen Kokon.« Die Stimme kam von innen heraus, aber es war nicht seine. So was Verrücktes!, dachte er, und tat es mit einem Schulterzucken ab. Und das führt uns schon zu dem traurigen Ende der Geschichte. Der Winter kam, die Blätter, die Winston so sehr liebte, verwelkten, starben ab und flatterten zu Boden, und mit einem leisen Plumps folgte ihnen der arme Winston bald nach.
Kommt dir das bekannt vor? Einige Leute sind wie Winston - so todsicher überzeugt, dass ihre Wahrnehmung des Lebens die einzig Richtige ist, dass sie am eigentlichen Leben vorbei leben.
Curtis Peter Van Gorder ist ehrenamtlicher Mitarbeiter der Family International im Mittleren Osten.
Mich braucht Jeder, zumindest sagt Jeder, ich hätte ihm gerade noch gefehlt.