Ein schöner Ostersonntag war angebrochen. Die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen auf die Erde. Die ersten Mücken tanzten um die Regentonne. Im Garten blühten Schneeglöckchen und Krokusse. Ein leichter Windhauch brachte ihre Kelche zum Wanken.
Da ging die Tür des Bauernhauses auf und Hans und Lisa kamen mit ihren Osterkörbchen in der Hand heraus. Hans sah von weitem das erste Osterei. Er lief wie ein schneller Hase dorthin. Auch Lisa hatte das erste Osterei unter der Gartenbank gesichtet. Lila war das Ei gefärbt. Doch, was nun! Als Lisa es in ihren Korb legen wollte, war es nicht mehr lila, sondern grün.
Sie schüttelte den Kopf und dachte: „Bist du jetzt farbenblind“. Sie lief ’rüber zu Hans, der mittlerweile weitere drei bunte Eier gefunden hatte. Lisa wollte es Hans erzählen, doch plötzlich sah sie, wie sich das Ei in ihrem Korb verfärbte und rot wurde.
„Hier geht etwas nicht mit richtigen Dingen zu“, dachte sie. Auch Hans hatte gesehen, wie sich das Ei verfärbte und gleich bat er Lisa seine gefundenen Eier zum Tausch an. Er wollte unbedingt dieses Ei haben. Aber Lisa behielt es. Die beiden Kinder suchten noch den ganzen Garten nach weiteren Ostereiern ab. Als sie fertig waren, hatte Hans sieben und Lisa nur fünf Eier, aber eins davon änderte ständig seine Farbe. Mal war es rot, grün, lila und manchmal auch noch golden.
Die beiden Kinder gingen wieder ins Haus und zeigten die Körbe ihren Eltern. Auch Mutti und Vati wunderten sich über Lisas eigenartiges Ei, welches ständig die Farbe wechselte.
„Das geht wirklich nicht mit rechten Dingen zu“, sagte der Vater und nahm es in die Hand. Er drehte es und betrachtete das Ei von allen Seiten.
Nun bekam es einen besonderen Platz im Wohnzimmerschrank. Es wurde in einen Eierbecher gestellt und leuchtete wunderschön in allen Farben.
Als der Abend kam, hatte das Ei plötzlich einen bunten Lichterkranz um sich. Der Lichtschein leuchtete in verschiedenen Farben und machte den Raum ganz hell.
Nach dem Abendbrot wuschen sich die beiden Kinder, putzten sich ihre Zähne und gingen zu Bett.
Lisa konnte durch die Aufregung um das Ei nicht einschlafen. Der Bruder dagegen zählte ein paar Schäfchen und schlummerte gleich ein.
Da hörte Lisa ein leises Rufen: „Lisa, Lisa!“ Sie sah über sich eine Elfe fliegen. Lisa rief zu ihr hoch: „Wer bist du?“
„Ich bin die Frühlingselfe“, bekam sie zur Antwort. „Ich habe dir durch den Osterhasen die Frühlingsfarben gebracht. Das buntfarbige Osterei ist ein ganz besonderes. Es bringt uns jedes Jahr zu Ostern die Farben des Frühlings. Pass gut auf das Ei auf und lass es dir nicht von der bösen Eisfee stehlen. Wenn die eiskalte Erscheinung das Ei bekommt, werden im Frühjahr alle Blumen schneeweiß und nicht farbig. Der Rasen wird nicht grün, sondern grau. Eine Eisschicht zieht sich über die Erde. Auch den Tieren und euch Menschen geht es nicht gut. Sie müssen alle frieren und hungern, weil nichts wächst.“
„Wo soll ich das Ei aufbewahren und verstecken?“ wollte Lisa von der Frühlingselfe wissen.
„Nach Ostern verliert das Frühlingsei die Farbkraft und sieht dann weiß aus, wie ein normales rohes Ei. Am besten du bringst es in den Hühnerstall. Dort brütet zurzeit eine Henne. Du legst das Ei unter die Glucke und sie brütet es aus. Aus dem Ei wird ein Osterküken und die Eisfee kann es nicht mehr finden. Nächstes Jahr zu Ostern ist aus dem Küken ein Huhn geworden und das legt dann wieder ein solches Ei. Der Überlieferung nach hat die Eisfee noch nie das farbige Ei gefunden, obwohl sie es ständig sucht, um dann die schönen Frühlingsfarben zu verhindern. Wenn die Eisfee das Krähen des Hahnes hört, sucht sie sofort das Weite und kehrt erst im nächsten Jahr aus dem hohen Norden zurück. Jedes Jahr zum Auferstehungsfest sucht der Osterhase ein besonderes Bauernmädchen, welches die Tradition des Frühlingsei’s fortsetzt. Auf dem heimischen Bauernhof muss zu dieser Zeit eine Henne Küken ausbrüten und ein Mädchen muss die Tiere gernhaben. Es soll den Frühling und die Farben lieben. Da du diesen Anspruch des Osterhasen zur Zufriedenheit erfüllst, hat er dich in diesem Jahr ausgewählt. Nun schlaf fein, tanke Kraft und träume süß vom Osterfest. Die Eisfee wird morgen früh nach dem Frühlingsei suchen. Vergiss also nicht das Ei sehr zeitig in den Stall zu bringen und es der Henne unter zulegen. “
Am nächsten Morgen stand der Hahn auf dem Misthaufen und krähte aus vollem Hals. Am Himmel sah man die Eisfee reisausnehmen, sie flog sehr schnell davon. Auf dem Kirchturm hielt sie inne und beobachtete den Bauernhof. Auf dem Anwesen rief der Hahn seine Hühner zusammen und krähte lautstark über den Hof. Als die Eisfee das hörte, sah man nur noch eine Schneewolke, aus der ein paar Eissplitter herausfielen und die Eisgestalt flog sehr schnell davon und wurde in diesem Frühling nicht mehr gesehen.