Des Teufels Kammervirtuose Erfahrungsbericht von Liquid_Tension_Experiment über Crossroads - Pakt mit dem Teufel (Film) 5. Juni 2002
Produktbewertung des Autors: Humor: wenig humorvoll
Spannung: wenig spannend
Anspruch: geht so
Action: null
Romantik: sehr viel
Pro: Musik, Atmosphäre, Steve Vai Kontra: Britneys Film heißt genauso
Empfehlenswert? ja
Kompletter Erfahrungsbericht ________________________________________ Für mich gab es zwei Gründe, mir "Crossroads" anzusehen: Steve Vai und Jack Butler. Dennoch bietet der Streifen mehr, viel mehr. Das durfte ich feststellen, nachdem ich einige Monate lang nur die Videokassette in meinem Regal bestaunen musste, mir den Film aber nicht ansehen konnte. Es gibt ihn in Deutschland nicht zu kaufen, lediglich als US-Import ist er erhältlich. Dann zwar als VHS, aber mit der amerikanischen NTSC-Codierung, die ältere Videorekorder nicht entschlüsseln können. So half nur der Kauf eines neuen Gerätes weiter. Für ein scheinbar (!) irrelevantes Stück Genuss ist man doch oft genug bereit, einen (nur) auf den ersten Blick zu hohen Preis zu zahlen. Nun, er war nicht zu hoch.
Man wird entlohnt, schon wenn man ganz zu Beginn, während noch die Namen der Darsteller angezeigt werden, Bluesklänge in ihrer reinsten und ältesten Form entgegen nimmt. Wenn man Robert Johnson sein "Crossroads" singen hört und damit aus den 30er Jahren in die nahe Vergangenheit, in die Mitte der 80er, geleitet wird. Dieser Eugene Martone, 17 Jahre alt, gespielt von Ralph Macchio, welcher den meisten wohl als Karate Kid bekannt sein dürfte, beschäftigt sich mit dem Blues. Auf seinem Bett liegen Kassetten, Bücher, Zeitungsartikel. Eigentlich soll er das nicht machen: Eugene besucht eine Musikschule und lernt klassische Gitarre, gehört dort gar zu den Besten.
Robert Johnson hat 30 Lieder komponiert, aber nur 29 aufgenommen. Das weiß Eugene aus einem seiner Bücher. Und er weiß auch, dass es nur einen Menschen gibt, der das verlorene Lied kennt: Willie Brown (Joe Seneca). Der Willie Brown, der festgenommen wurde, weil er jemanden erschossen hat und jetzt seine Zeit in einer Art Gefängnis für Greise verbringt. Der Willie Brown, der verleugnet, der Gesuchte zu sein und Johnson jemals gekannt zu haben. Nun denn, der Willie Brown, der Eugene verspricht, ihn das Lied zu lehren, wenn der Junge ihm hilft, auszubrechen und ihn nach Memphis bringt. So sei es. Willie will an einen bestimmten Ort, an diese eine Kreuzung, im Weiteren "Crossroads" genannt, des eleganteren Klanges wegen. Dort hat er einst, wie Robert Johnson, seine Seele dem Teufel verkauft, um den Blues zu beherrschen. Diesen Blues kriegt man immer wieder zu hören und nimmt ihn dankend an. Die Klänge einer Mundharmonika, unterstützt von Eugenes Gitarre (die zwar mit einer Zederndecke ausgestattet zu sein scheint, mir aber doch verdächtig nach einer Resonatorgitarre klingt) begleiten die mit Elementen eines Roadmovies bestückte Reise der Protagonisten. Unterwegs schnappen sie Frances (Jamie Gertz) auf, ein Mädchen das von zu Hause weg- und in den Film hineingelaufen ist. Ich habe den Anschein, dass sie ausschließlich eingesetzt wurde, um einige Minuten totzuschlagen, hat sie doch keinen Einfluss auf die Handlung und nach kurzer Zeit auch keine Rolle mehr - sie verschwindet ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht ist. Doch dann kauft sich Eugene eine Telecaster und spielt wieder seinen Blues...
Wer meint, ich solle den Rest der Handlung nicht verraten, darf jetzt aufhören.
Ach ja, das verlorene Lied – das gibt es nicht. Willie wollte aus seinem Heim raus, hat Eugene deswegen angelogen.
Irgendwann finden sie das Crossroads (Kreuzung würde an dieser Stelle doch wirklich blöd klingen, oder?) und haben vor, Willies Pakt mit dem Teufel zu beenden. Also lässt dieser Eugene ein Stück spielen, da gute Musik Diablo anzieht. Der erscheint - ebenso gealtert wie ein Mensch -, will den Vertrag jedoch nicht brechen. Was nun? – „Cuttin'Heads“. Mephisto schlägt einen Wettbewerb vor. Ein Gitarrist in seinen Diensten, Jack Butler, der ebenfalls vertraglich gebunden ist, soll gegen Eugene antreten, denn Willie kann nicht Gitarre spielen. Gewinnt Eugene, bekommt Willie seine Seele zurück. Siegt Butler, kriegt der Teufel die des Jungen.
Es folgen zehn für Gitarristen mittlerweile heilige Minuten. Jack Butler (Steve Vai persönlich) erscheint - ein infernalischer Teufelsdiener, wie man ihn sich vorstellt: Lange Haare, aggressiver Blick, rote Jackson. Das Duell beginnt. Es trägt prachtvolle Früchte. Natürlich gewinnt das Gute, doch das ist uninteressant. Viel wichtiger ist das Lied, das Willies Seele rettet: Das von Steve Vai komponierte „Eugene’s Trick Bag“. Hierbei handelt es sich um eins der großartigsten Gitarrenstücke, dass je gespielt wurde. Dennoch kommt als Genre eigentlich nur „Klassik“ in Frage, oft werden Vergleiche mit Paganini angestellt. Hören Sie es sich an, unbedingt.
Alle Gitarrenparts in Film werden von Steve gespielt (er muss sich also selbst besiegen), bis auf die Slidegitarren. Die hat Ry Cooder übernommen, der zusammen mit Mr. Vai die Musik komponiert hat.
Zu bemerken wären noch die Ausprägungen der Charaktere. Diese sind recht simpel: Eugene ist nahezu immer genervt bis verärgert, muss er doch den pausenlos egoistischen und selbstgefälligen Willie ertragen. Doch was kann man von einem seelenlosen Greis erwarten?
Die erwähnten Bluesklänge begleiten den Zuschauer durch dem ganzen Film. Es herrscht eine permanente Romantik, zu der neben der sehr guten Musik auch die Landschaften, Leute und Dialoge verhelfen. Eben diese Romantik ist oben mit den fünf Balken gemeint. Wer nun den mangelnden Realismus bemerkt hat, hat falsche Vorstellungen. Der Film ist realistisch, weil er es nicht zwingend sein will.
„Crossroads“ soll angeblich schon auf Pro Sieben und VOX gelaufen sein, ich habe ihn jedoch nur im englischen Original gesehen. Wie für deutsche Filme bzw. deutsche Fassungen ausländischer Filme unerlässlich, wurde auch hier ein sinnloser Untertitel hinzugefügt. „Pakt mit dem Teufel“ – nein, wirklich?!
Crossroads – ein Begriff, der mit dem Blues tief verbunden zu sein scheint. Ein Jammer, dass Fräulein Spears‘ Filmchen im Original dieses Wort massakriert. Doch ärgern wir uns nicht darüber, sondern sehen uns den Streifen, von 1986, der wirklich „Crossroads“ heißt und heißen darf, an. Immer wieder und wieder und wieder und ...