Es ist Herbst geworden und in den Ställen beim Bauer wird es merklich ruhiger. Alle Tiere merken, dass es auf die Weihnachtzeit zugeht. Dann beginnt der große Kahlschlag in den Ställen.
Der Bauer und die Bäuerin sitzen in der Küche des Bauernhauses und beratschlagen, was am nächsten Tag auf dem Hof für Arbeit anliegt. Da hören sie plötzlich aus dem Hühner, Gänse, und Entenstall ein Riesenspektakel. Der Bauer nimmt seine Schrotflinte und geht zum Hühnerstall. Er vermutet, dass ein Fuchs oder Marder dort sein Unwesen treibt. Vorsichtig schleicht er zur Holzhütte und schaut von außen durch das Fenster.
Alle Hühner sitzen auf den Stangen und gackern laut. Auch die Enten und Gänse schnattern durcheinander. Dabei schlagen sie mit den Flügeln. Und plötzlich kann er das Gackern und Schnattern der Tiere verstehen.
Der Gänserich ist am lautesten und der Viehzüchter hört wie er schnattert:
„ Liebe Gänse, Hühner und Enten! Es geht auf die Weihnachtszeit zu und da werden wir vom Bauern gefangen und geschlachtet. Man reißt uns unsere schönen weißen Daunen und Federn raus. Diese werden in einen Sack gesteckt. Den Sack nennen die Menschen Kissen. Unserer Leber wird als Gänseleberpastete verarbeitet, welche sie genüsslich verspeisen. Alle meine Brüder und Schwestern landen zu Weihnachten in der Bratröhre und werden bei zweihundert Grad braun gegrillt oder als Gänseklein in der Suppe gekocht. Das lassen wir uns nicht mehr gefallen!“
„Ja“ rief der Hahn, „wir sind dabei. Uns klaut die Bäuerin unsere Eier, besonders im Frühjahr, um die Osterzeit. Wir können gar nicht genug Eier legen, immer sind sie weg. Im Sommer werden viele Hühner von uns geschlachtet und man reißt uns auch alle Federn aus. Vielen von uns wird am lebendigen Leibe der Kopf abgerissen oder abgehackt. Als Grillhähnchen und Grillhühnchen liegen wir in der Tiefkühltruhe in den Supermärkten und werden verkauft oder wir landen in einem Grillwagen und man verspeist uns auf der Straße. Das lassen wir uns auch nicht mehr gefallen!“
„Richtig“, rufen plötzlich die Ente, „uns geht es so ähnlich. Man schlachtet uns das ganze Jahr, reißt unser schönes buntes Federkleid aus und wir landen in der Bratröhre. Werden zum Mittag verspeist und dazu trinken die Menschen solch saures, rotes Wasser, sie nennen es Wein.“ Gleichzeitig fallen alle Gänse, Enten und Hühner in ein lautes Getöse: „I, buh, i, buh, i“
Der Bauer hört alles mit an. Er glaubt nicht, was seine Ohren hören. Der Gänserich schnattert wieder ganz laut und es wird still im Stall. Er ruft allen zu: „Wir müssen auch noch mit allen Tieren sprechen, drum lasst uns in die anderen Ställe ziehen.“
Und schon ist das gesamt Federvieh unterwegs. Zuerst gehen sie in den Schweinestall zu den Schweinen. Der Gänserich erklärte ihnen, um was es geht. „Das stimmt“, grunzt die Schau, „uns geht es genau so. Wenn wir Glück haben, dann lässt uns der Bauer leben, bis wir gut drei Zentner wiegen. Er verkauft uns an einen Schlachthof und dort wird aus uns Wurst, Steaks und Koteletts gemacht. Unsere Haut zieht man uns ab und gerbt sie zu Leder. Schuhe werden daraus hergestellt. Diese ziehen die Menschen an ihre Füße und treten im wahrsten Sinne auf uns herum. Aus den Borsten werden Rasierpinsel für Männer gefertigt. Unsere Ferkel braten sie im Backofen und dann werden sie zu Spanferkel. Die Tiermörder stecken einen dicken Spieß durch unsere Kinder. Wir sind dabei und machen den Aufstand mit! Lasst uns in den Rinderstall gehen. Die Rinder helfen uns bestimmt“. Die gesamten Tiere wandern nun weiter.
Der Bulle empfängt sie und will die anderen Tiere gar nicht in den Stall lassen. Der Gänserich erklärt ihn warum sie kommen. Weil er ein Ochse ist, versteht er das Anliegen nicht. Da ruft die Leitkuh: „Du bist ein dummer Ochse, lass unsere Stallmitbewohner alle rein, ich erkläre dir nachher um was es geht. Dann ruft sie das gesamte Viehzeug in den Rinderstall. Der Kollos schaut nicht schlecht und der Gänserich fängt an zu erklären.
Mittlerweile ist die Bäuerin auch aus dem Haus gekommen, denn der Krach in den Ställen wird immer lauter. Sie sieht den Bauern am Fenster des Rinderstalles stehen und gesellt sich dazu. Er sagt dann zu ihr: „Das gibt es doch nicht, so etwas habe ich noch nie gesehen und gehört!“ Seine Frau schaut auch durch das Stallfenster. Drinnen im Stall ein lautes Gegrunze, Gegacker und Geschimpfe und plötzlich zieht die Tiermeute weiter. Sie traben in den Pferdestall. Auch die Pferde beklagen sich. Wir müssen immer schwere Lasten ziehen und die Menschen auf uns reiten lassen. Nur der Esel sagt nichts, weil er eben ein Esel ist.
Plötzlich ruft der Gänserich: „Kommt wir holen den Bauer und die Bäuerin und sperren beide in den Schweinestall. Sie sollen auch einmal sehen wie es uns geht. Zum Fressen bekommen sie nur Wasser und trockenes Brot. Als die Beiden das hören, laufen sie sehr schnell zurück in ihr Bauernhaus. Sie schließen die Türen ab und verstecken sich. Doch der Ochse läuft gegen die Eingangstür und sie springt auf. Alle Tiere drängeln sich in das Haus. (C) F. Buchmann