Im Sommer 1973 kratzten wir all unser verfügbares Geld zusammen und machten unsere Hochzeitsreise per Flugzeug nach Bulgarien zum Goldstrand. Das DDR-Reisebüro, “DER” genannt, war, wie sich herausstellte, das reinste Betrügersyndikat. Wochen zuvor teilte man uns mit, dass sich unerwarteter Weise unsere Reise um einen Tag verlängert. Bei je 1.300.- Mark Reisepreis sollten wir nun jeweils lediglich 20.- Mark nachzahlen. Das schien ein gutes, faires Geschäft zu sein. Statt 14 nun also 15 Tage Ferien mit Vollpension und nur 20 Kröten teurer. 3 Tage vor Abflug bekamen wir die Reisepapiere. Darin stand, dass unser Flug 23:55 Uhr beginnt. Statt mehr Urlaub, hatte man uns also schon um den ersten Tag betrogen. Den Rückflugtermin erfuhren wir erst die letzten Tage im Hotel. Wir mussten am vorletzten Urlaubstag bereits 22:30 Uhr die Hotelzimmer und das Hotel verlassen. Wir standen dann zu etwa 100 Leuten wie die Heimatvertriebenen mit allem Gepäck bis nachts um 1:00 Uhr vor dem Hotel und warteten auf unseren planmäßigen Zubringerbus. Das war beschämend, unwürdig. So erging es vielen Ost-Mark-Touristen im Bruderland! 4:15 Uhr waren wir am letzten Reisetag schon wieder in Berlin/ Schönefeld. Wir hatten also nur 13 Tage Urlaub, doch 15 bezahlt … Die Krönung aber war, das in Varna/Goldstrand die Zimmer nicht ausreichten. Da wir frisch verheiratet waren, bekamen wir glücklicher Weise oder aus reinem Mitleid noch ein Zweibettzimmer. Wir verschwanden zufrieden. Wir wurden allerdings alle zuvor noch belehrt, keine tönernen mit Folkloremotiven bestückten Aschenbecher und Vasen zu stehlen, das ist kein Witz! Das war die wichtigste Durchsage bei unserer Anreise.
Wenige Stunden später, zum Frühstück erfuhren wir dann, dass nicht allen dieses “Glück” beschieden war, ein eigenes Zimmer zu beziehen. Ältere Ehepaare bekamen in mehreren Fällen einzeln reisende junge Mädchen zugeteilt. Wildfremde Leute durften sich dann in 3-Bettzimmern vergnügen. Nach Rebellion und Intervention eines älteren Ehemannes wurden am nächsten Tag wie aus dem Nichts weitere Zimmer für viele Einzelreisende im Nachbarhotel aufgetrieben. Ob er seine alternde Frau oder die junge Maid umziehen ließ, weiß ich allerdings nicht mehr … Wir wohnten 80 Meter über dem Schwarzen Meer. Natürlich mit Blick hinten raus in den “Park”. Den durchschnitt allerdings die Küstenstraße, auf welcher uns die Urlauberbusse von und nach Albena im Minutentakt den Schlaf raubten. Die Vollverpflegung war bombastisch, wir haben erstmals 30 Jahre später in Italien wieder eine so gute Bewirtung erfahren. “Morsko Oko”, dem Meeresauge, unten am Strand gab’s das Essen. Wir sahen hier aber auch, dass dieses Hotel nur mit Touristen aus Österreich und Westberlin gefüllt wurde. Die reisten am Tage an. Die hatten dann allesamt Kofferträger … Ob das wohl an der D-Mark lag?
Unsere Koffer wurden vor dem Hotel trotz unseres heftigen Protestes von der Dachreling des Transfer-Busses auf den Rasen geworfen. Auch wir hatten Duschen in unseren Zimmern, allerdings tagelang kein Wasser! Die “DER”-Mitarbeiterin erklärte uns, dass dies normal sei: Denn wenn unten am Strand alle Wasserhähne geöffnet würden, könne oben nichts laufen. Was war die Frau intelligent, die war geschult – und wir begannen zu müffeln. Ja, ja, unser Aluminiumgeld war keine wirkliche Währung, auch unsere “Freunde” wollten die nicht! Als gelernter Ossi ließ man dies dann zwangsweise über sich ergehen und erfreute sich an der wirklich tollen Landschaft und dem herrlichen Wetter und dem blauen Meer, obwohl es ja irreführend Schwarzes heißt.
Hier schworen wir beiden, wiederzukommen, aber erst wenn’s Westgeld auch unser sei. Dann wollten auch wir unten am Strand im Hotel “Berlin” wohnen!
Das taten wir dann 1994 mit unserer Claudia. Leider hatten die Bulgaren aber in den dazwischenliegenden 21 Jahren nicht eine einzige Leva in die Instandhaltung investiert … Eine Bruchbude erwartete uns! Unser 2-Raum-Appartement entpuppte sich als ein Raum mit einem Vorhang in der Mitte. Andere Länder, andere Sitten! Anschiss lauert überall! Nun auch mit der D-Mark. In diesem Hotel sollte in der 11. Etage unser Frühstücksbuffet verabreicht werden. Ging aber nicht mehr, denn zwischenzeitlich, wurde uns offeriert, hätte man dort ein privates China-Restaurant eröffnet. Logisch, dass auch wir diesem einen Besuch abstatteten. Die haben sich wirklich alle Mühe gegeben. Solch ein chinesisches Lokal haben wir noch nie gesehen und erlebt. Uns erwarte ein ganz gewöhnlicher schlohweiß gestrichener Gastraum. Keinerlei Dekoration, auch keine chinesische. An 2 Tischen saßen bereits deutsche Gäste. Und nun kamen wir drei noch hinzu. Der einzige “Chinese” der hier Dienst tat, war der Besitzer, ein waschechter Bulgare. Neben einer Frühlingsrolle gab es noch in Weinlaub eingerolltes Gehacktes, wie in allen Gaststätten in diesen bulgarischen Krisenjahren. Sonst nichts! Als der Wirt begriff, dass sich nur Deutsche im Lokal befinden, entzückte er uns mit einer musikalischen Sondereinlage:
Über die Lautsprecher trällerte nun Paul Linckes “Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft”. Gruselig, aber auch irgendwie schon wieder lustig.
Gruß Tannerprinz
Die Weite Deines Horizonts ist Frage Deiner Sicht. Der Große sieht ihn breiter, der Kleine leider nicht. (Volker Zottmann)
Ja, das kann ich mir alles gut vorstellen. Eigentlich kommt einem dabei die Galle hoch, aber du schreibst das so amüsant, dass man zwischendurch auch lächeln kann
Nicht umsonst heißt es bereits um 1800 bei Matthias Claudius: "Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen." Du beschreibst die Erlebnisse am Goldstrand so, dass ich beim Lesen das Gefühl habe, dabei gewesen zu sein. @Tannerprinz
Schwarzmeerluft haben wir Ende der 70er Jahre geschnuppert. Allerdings waren wir damals in Rumänien. Obwohl es sich dabei ebenfalls um ein "Bruderland" handelte, konnten wir sowohl im Hotel als auch am Strand mit Leichtigkeit ausmachen, ob in der Nähe ost- oder westdeutsche Urlauber waren. Nicht an Bekleidung oder am Dialekt, sondern an irgendwie gedrückter Stimmung. Es erschien uns, als hätten sich einige immer auf Beobachtungsposten befunden und sich andere demzufolge beobachtet gefühlt. Außerdem war leider seitens des Personals deutliches West-Ost-Gefälle spürbar.
Hallo Promise, danke für die Lorbeeren. Wir waren bestimmt nicht bedrückt. Sicher auch damals noch zu jung, um zuviel nachzudenken. Dass es gewaltige Unterschiede gab, merkten wir aber schon. So hatten wir ohne Devisen aber zu Hause schon Vollpension bezahlt. Und die war 1973 grandios. Stets mehrere Gänge, nur vom Feinsten. Mit damaligen Alt-Bundesdeutschen kamen wir auch ins Gespräch. Die hatten statt Vollverpflegung Tallons und konnten die am Strand in jeder Gaststätte oder Bar gegen Essen tauschen. Damals haben wir diese Freizügigkeit beneidet, denn wir mussten immer minutengenau zu den Tischzeiten im gleichen Lokal sein. Objektiv aber hatten wir das bessere Essen. Als wir 1994 wieder dort waren, sah man allerorten den Verfall des 1973 noch mondänen relativ neuen Bades. Inzwischen ist dort alles "bestens" westlich geregelt. Heißt: Spanische Verhältnisse. Bulgariens Küsten sind zubetoniert.
Die Weite Deines Horizonts ist Frage Deiner Sicht. Der Große sieht ihn breiter, der Kleine leider nicht. (Volker Zottmann)
Hallo Tannerprinz, es ist gut, dass ihr euch nicht bedrückt gefühlt habt. Ob es aufs Nachdenken zurückzuführen war, ist für mich unerheblich. Daran, wie alt damals "Ostmenschen" in unserer Nähe waren, kann ich mich nicht erinnern - ist aber auch schnuppe. Gut finde ich, dass euch Gespräche mit Alt-Bundesdeutschen möglich waren. Das ließ sich bei uns nicht bewerkstelligen. Auf der Dachterrasse des Hotels im Hafen der Insel Rab war sogar ein Seil zur Trennung 'beider Lager' gespannt.
In Rumänien sind die Verhältnisse vermutlich so, wie du es aus den 90er Jahren beschreibst. Unser Hotel von damals (Saturn in Mangalia) war bestens ausgestattet, wird sicher heutzutage auch keinem Vergleich standhalten können. Wir haben unseren Urlaub später mehrfach in Jugoslawien verbracht. Obwohl es auch ein sozialistisches Land war, sind uns (außer dem Seil) keine Auffälligkeiten im Gedächtnis.
Mit der Galle, liebe Traudel ist das so eine Sache.... Sicher ist man einige Male im Leben mehr als am Kochen gewesen, nur änderte das nichts, außer den eigenen Blutdruck. So war es jetzt auch gerade bei einer wunderschönen Busfahrt nach/auf Elba. Wir stiegen im 4 Sterne-Hotel Barracuda in Marina de Campo ab. Ein schnuckeliges Hotel. Essen aber, für italienische Verhältnisse in der Größenbemessung eher schweizerisch, sprich mickrig. Da sieht man drüber weg, weil man ja eh zu fett ist und so leichter abnehmen kann. Aber dass morgens zum eingedeckten Frühstück von 4 Tagen an zweien nicht mal Kaffeetassen vorhanden waren und wir uns als Ehepaar ein an anderer Stelle gestiebitztes Messser teilen mussten, schlug dem Fass den Boden aus. Wir machen bei solchen Pauschalreisen von vornherein Abstriche in unserer Erwartungshaltung, doch manche Begebenheit ist unbegreiflich. Und wer nun denkt, unsere Reiseleiterin hätte das gekümmert...Fehlanzeige!
Gruß Tannerprinz
Die Weite Deines Horizonts ist Frage Deiner Sicht. Der Große sieht ihn breiter, der Kleine leider nicht. (Volker Zottmann)
@Tannerprinz - Volker : ,.,.,. Ich sag nur " Traumurlaub " u. soo eine Schite auf der Hoch - zeitsreise - ja das ist bestimmt ärgerlich für Euch zwei gewesen , ... das war mein erster Gedanke beim durchlesen deiner interessanten Story !! MfG : Walter 58 !!
Na ja, Dr.Walter58, das Einzige, was wirklich ärgerlich war, sind die 2 geklauten Urlaubstage. Ein "älterer Herr", der war so alt wie ich heute, bekam zu seiner Frau eine Einzelreisende zugeteilt, wegen der fehlenden Zimmer. Für das Ehapaar wars ärgerlich, denn er geisterte die ganze Nacht durch das abgesperrte Urlaubsgebiet, um unser Urlaubstrulla ausfindig zu machen. Ihm und seiner Rebellion ist es zu verdanken, dass tags drauf Zimmer nebenan bezogen werden konnten. Ärgerlich war, als unser Bus uns im Transfair zum Hotel fuhr, dass dieser unterhalb des Hotelareals hielt. Und der Fahrer sofort aufs Busdach kletterte und im hohen Bogen alle Koffer auf die höher gelegene Wiese neben dem Bus warf. Unverschämt. Besonders ärgerlich, als wir am ersten wirklichen Urlaubstag mittags Österreicher anreisen sahen, die in unseren "Speisehotel" Morsko Oko in erster Reihe stehend, ihre Koffer getragen bekamen. Unglaublich damals. Wir wissen heute, dass wir damals (unbemerkt) alle beschattet wurden, weil zu dieser Zeit doch einige DDR-Urlauber (aber nicht aus unserer Truppe) mit falschen oder geklauten Pässen per Tragflächenboot gen Istanbul türmten. Damals aber, Walter, hat uns nur der tolle Strand, dann Albena, Varna und der Schlossgarten voller Kakteen in Balschik interessiert. Leisten konnten wir uns nur billigsten Wein, die Flasche Dimiat für 4 Lewa und den Schopskasalat oder mal, auch für 4 Lewa eine Platte echte Eselssalami. Da war das gelernte Ossi wirklich mehr als glücklich! 100 Ostmark haben wir jeder in den Schuhen heimlich mitgebracht und mit weiteren Zoll/Devisenerklärungen gegen jeweils 25 Lewa getauscht, für die wir uns schicke Schuhe kauften, die damals modernen, mit dicken hohen Sohlen. Ärgerlich war, dass viele Reisende ja materiell recht gut gestellt waren, aber ihnen dort die Ostmark nicht half. keiner wollte die. Das ist deprimierend, wenn Du ebenso fleißig gearbeitet hast für den Urlaub wie der Westdeutsche, aber jetzt der Looser warst.
Gruß Volker, der Tannerprinz
Die Weite Deines Horizonts ist Frage Deiner Sicht. Der Große sieht ihn breiter, der Kleine leider nicht. (Volker Zottmann)
Ich war mit meinen Kindern auch 1974 in Bulgarien. Allerdings nicht am Goldstrand. Wir waren in Sosopol. Wir haben den Urlaub in guter Erinnerung. Hotel gab es da nicht , nur Privatzimmer. Wunderschönes Städtchen mit herzlichen alten Holzhäuser. Wir wohnten im 3. Stock. Die Toilette war auf dem Flur im 23. Stich.Im Kellergeschoss war die Küche, wo wir Frühstocken kjonntem. Es gab kein Lokal mit Frühstück. Also musste ich selber einkaufen. Das war vielleicht ein Erlebmiss. Eine Schlange von ca 50 bis 100 Leuten warteten vor dem Laden, der noch geschlossen war. So was hatte ich noch nie gesehen. Dann kam ein Laster und hat erst die Ware gebracht. Dann ging der Laden auf. Ichnbhabe im Laden nach irgendwelchen dingen gegriffen bevor es an die Kasse ging. Da wurde mir auf die Finger gehauen. Das war verboten. Ich war si verblüfft, fand es aber gleichzeitig urkomisch und hab nur gelacht. Da wart der Kunde nicht König wie bei uns. Ich brauchte eine Ewigkeit und meine Tante stand schon vor dem Haus und fragte wo bleibst Du denn.Am nächsten Tag war ich aber die Erste in der Schlange. Wir hatten auch so Talons zum Essen gehen.Westdeutsche gab es da nicht. Wir haben ein junges ostdeutsches Paar kennengelernt, die wollten uns einen Teil Ihrer Talons verkaufen um ein bisschen was zu kaufen. Meine Tante hat Ihnen dann 50DM geschenkt und sie hatten viele Jahre den Kontakt gehalten. 1993 war ich nocheimal in Bulgarien in Druschba zu Kur. War ein sehr gutes Hotel , ich glaube es hiess Varna. Leider hat ein russischer Masseur mir die Hand gebrochen, so das sich meine Ferienfreiude in Grenzen hielt.
Danke Traumprinz für diesen Beitrag. Bitte entschuldigt auch meine Tippfehler, da ich immer schlechter sehe vertippe ich mich oft.