"Er gab uns die Chance auf Freiheit. Er verachtete den Krieg. Er verachtete die Realpolitik. Er war überzeugt, dass die Zeit, in der die Weltordnung mit Gewalt erzwungen wird, vorbei war. Er glaubte an die Wahl des Volkes. Er ließ politische Gefangene frei. Er hat den Krieg in Afghanistan und das atomare Wettrüsten gestoppt. (…) Er liebte seine Frau mehr als seine Arbeit, die Menschenrechte schätzte er höher als den Staat und den friedlichen Himmel mehr als seine persönliche Macht. (…) Er machte sowohl seinem Land als auch der Welt ein unglaubliches Geschenk – er schenkte uns 30 Jahre Frieden. Ohne die Bedrohung durch einen globalen Atomkrieg. Wer kann das noch? Doch das Geschenk gibt es nicht mehr. Und Geschenke wird es nicht mehr geben."
Unter all den Nachrufen, die einen Tag nach dem Tod Michail Gorbatschows, dem 30. August 2022, erschienen, war dieser vom Friedensnobelpreisträger Dmitrij Muratow, dem ins Ausland geflüchteten Chefredakteur der Nowaja Gaseta, der „Neuen Zeitung“, sicher der ergreifendste und verzweifeltste. [Quelle] Ohne den Namen Putin zu nennen, erklärt Muratow Gorbatschow darin zum genauen Gegenstück des heutigen russischen Präsidenten. Nicht nur erscheint Gorbatschow als Lichtgestalt und geradezu Messias, der den Menschen Frieden, Freiheit und Sorglosigkeit brachte. Es klingt auch an, als hätten die Menschen nicht verstanden, was er ihnen schenkte und würden erst jetzt erwachen und begreifen, was sie an ihm hatten, da er nicht mehr ist: Keiner mehr, der uns Frieden schenkt; keiner mehr, der zwischen uns und der Atomkatastrophe steht.
Nicht nur Muratow bewertet Gorbatschow im Lichte von Putins Angriffskrieg und Diktatur. Auch in Putins Umgebung fällt man sein Urteil vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse.
Wohl den schamlosesten Nachruf schrieb Irina Alksnis für die staatliche Presseagentur Ria Nowosti: