Auch Menschen mit Demenz brechen sich ein Bein, bekommen eine Lungenentzündung oder einen Herzinfarkt. Normale Kliniken sind auf Verwirrte nicht eingestellt. Ein Krankenhaus in Heidelberg hat eine Station für solche Patienten eingerichtet.
Eines will Anneli Kühn mal klarstellen, auch wenn die Leute in dieser komischen Firma hier, in der ihr andauernd jemand die Brille klaut, das anders sehen: "Ich bin nicht debil, noch hab ich Anzeichen von Alzheimer. Ich hab mich nur alleingelassen gefühlt und traurig." Freiwillig sei sie hergekommen, zu dieser Kur. Nun wolle sie mal wieder nach Hause. "Da hab ich meine Eckchen. Und die Uschi von nebenan, die kümmert sich um mich."
In Wirklichkeit hatte Anneli Kühn zu Hause wochenlang nichts mehr gegessen und war gefährlich unterernährt. Sie brauchte dringend eine Zahnoperation. Morgens um drei klingelte sie in Panik nicht nur Uschi, sondern auch alle an-
deren Nachbarn wach. Es war gar keine Frage: Die demente alte Dame musste schnellstens ins Krankenhaus.
Doch wohin mit Frau Kühn?
Wohin mit Menschen, die sich die Hüfte brechen oder an einer Lungenentzündung leiden und die nicht verstehen, wie ihnen geschieht? Wohin mit kranken Demenzkranken?
Im normalen Krankenhaus will sie keiner haben. Sie stören den Stationsablauf und die anderen Patienten. Sie rufen stundenlang. Sie laufen herum, anstatt das Bett zu hüten, sie fassen der Schwester an den Po, werden aggressiv, spielen mit ihren Exkrementen. Sie wissen nicht mehr, was sie mit dem Wurstbrot tun sollen oder schütten ihre Antibiotika ins Klo.
Darauf sind Krankenhäuser nicht eingestellt. Sie sind konstruiert für Patienten mit einer einzigen, übersichtlichen Krankheit, am besten junge, die die Klinik gesünder verlassen, als sie sie betreten haben.
"Demente, alte Patienten bringen in der Medizin keine Erfolgserlebnisse", sagt Daniel Kopf, "auch das macht sie unbeliebt."
Kopf ist Oberarzt in der komischen Firma von Frau Kühn - dem Heidelberger Bethanien-Krankenhaus. Oft genug hat er anderswo erlebt, wie demente Patienten herumgeschubst werden. "Man fixiert sie mit Gurten oder stellt sie mit Medikamenten ruhig. Oder überweist sie in die Psychiatrie, um sie loszuwerden." Aber dort kennen sich die Kollegen mit entgleisten Blutwerten nicht so gut aus und nicht mit den offenen Füßen der Diabetiker. "Also schickt man sie wieder zurück", sagt Kopf. "Ich fand das unwürdig."
Ein Problem ist: Auch in einem Krankenhaus darf man Krebskranke oder Infarktpatienten nicht einfach einschließen, weil sie verwirrt sind. Also laufen sie oft davon. Später findet man sie vielleicht in einer Besenkammer, in einem anderen Stockwerk, oder sie schaffen es bis nach draußen und laufen womöglich vor die Straßenbahn. Das ist Alltag in deutschen Krankenhäusern.
Aber weil in Bethanien, einer geriatrischen Klinik, alle Patienten alt sind und entsprechend viele dement, waren sie hier etwas erfinderischer: Irgendwann kamen sie auf die Idee mit der codegeschützten Stationstür: "Zum Öffnen bitte aktuelle Jahreszahl eingeben!" steht dort an einem Kästchen neben dem Ausgang.
Jahreszahlen sind das Erste, was Demenzpatienten vergessen.
Die Tür war vor sieben Jahren der Anfang der Heidelberger Spezialstation für akut erkrankte Demenzkranke - damals eine der ersten in Deutschland, und noch immer gibt es viel zu wenige davon. Hier konnten ruhelose Patienten nun herumlaufen, auch nachts. Später kam das Wohnzimmer dazu, in dem die Patienten gemeinsam essen, spielen, singen. Das Sofa auf dem Flur, gestickte Sinnsprüche an der Wand und sepiafarbene Ansichten von Alt-Heidelberg. Eine schwere Eichen-Anrichte voller Spiele, Stifte, Liederbücher.
Gerade in der ambulanten Pflege ist es oft eine Katastrophe mit Demenzpatienten. Letzte Woche habe ich eine Frau über den HA einweisen lassen, mit plötzlich auftretenden Spastiken in den Händen. Sie war nach einer Stunde wieder zu Hause! Kein Behandlungsfall, sondern ein Pflegefall war die Begründung!? Gott sei Dank hat sie eine andere Klinik, mit einer Geronto-Ambulanz aufgenommen. Sie ist jetzt in einer Art Kurzzeitpflege und wird aber auch entsprechend untersucht. Irgendwoher müßen die Spastiken ja kommen!
Das ist traurig, wie mit alten Menschen in Kliniken umgegangen wird
Ich erinnere mich, dass ich spät abends auch mal den Notarzt gerufen habe, weil Oma im Gesicht ganz dolle Zuckungen hatte. Der Notarzt hat sie sofort mitgenommen und es wurde ein CT gemacht, weil man eine HB befürchtete...zum Glück war dies aber nicht der Fall. Sie sollte aber noch zur Beobachtung in der Klinik bleiben Nachts um drei habe ich einen Fragebogen ausgefüllt, über mehrere Seiten - welche Medikamente sie nimmt, dass sie inkontinent ist, dass sie alleine nicht essen und trinken kann, dass sie nicht sprechen kann, halbseitig gelähmt ist etc. - alles genauestens aufgeführt
mit dem Ergebnis, dass ich am nächsten Tag in die Klinik kam und sie von oben bis unten mit Essen verschmutzt war, nicht gewaschen war, die Medikamente nicht bekommen hatte und ihre Einlage auch nicht gewechselt war. Sie war völlig verwirrt und verzweifelt. Als ich kam, hat sie sich an mir festgeklammert und bitterlich geweint
...auf meine Frage, warum sie noch nicht mal ihre Medis bekommen hat, bekam ich von der Schwester die Antwort: Die würden ja auf dem Nachttisch stehen, sie bräuchte sie ja nur nehmen
Ich war so bedient, dass ich die noch anstehende Untersuchung sofort habe machen lassen und Oma auf eigene Verantwortung mit nach Hause genommen habe....zum Glück hat mich unser Hausarzt dabei unterstützt.
Das war das letzte Mal, das Oma in einem Krankenhaus gewesen ist
Ist bei uns leider auch Alltag im KH. Unsere Bewohner kommen meist so abgeschossen wieder,das die nicht wiederzuerkennen sind. Von den Äußeren garnicht zu sprechen. Ich finde "die komische Firma " richtig genial.
Wenn ich an die Zeit denke, als meine Mutter nach einem Sturz im Pflegeheim im Krankenhaus war, wird mir immer noch ganz anders. Sie hat den Ärzten glaubhaft erzählt, sie lebe zwar alleine zu hause, aber ihre Töchter kümmern sich jeden Tag um sie. So hätte man sie auch bald entlassen. Die Berichte vom Heim hat man gar nicht gelesen, meine Schwester und ich haben der Ärztin erst erzählen müssen was los ist. Hätte sie nicht so eine geduldige Bettnachbarin gehabt, wäre sie auch ständig aufgestanden und wäre umher gewandert. Ich habe im Net einiges über Dementz-WG`s gelesen, so etwas ist auch ganz toll. Die Menschen die dort wohnen werden im Alltag mit einbezogen. Fast so als würden sie noch zu hause leben. Nur sind die Wartezeiten dort sehr lange.
Kann ich nicht, gibt es nicht Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein
Mein Arbeitgeber, Diakonie, hat mehrere solcher Häuser. Betreutes Wohnen heißt es bei uns. Ich war schon öfter in verschiedenen Wohngruppen zum arbeiten. Es ist für die Senioren dort sehr schön. Sie sind nicht eingesperrt, werden nicht ruhig gestellt, haben Gesellschaft nach Bedarf. Sie können sich an der Hausarbeit beteiligen, wenn nötig ist jemand da der bei der Körperpflege hilft. Alles ist behindertengerecht. Die Herrschaften haben auch ihre Lieblingsmöbel in den Zimmern, Sind nach ihrem Geschmack und Bedürfnissen eingerichtet. Das Pflegepersonal steht nicht so unter Zeitdruck wie wir in der ambulanten Pflege, alles ist total entspannt. Ich hatte tatsächlich überlegt, ob ich wechseln soll. Aber ich brauche den Stress von einem zum anderen zu fahren und die Pflege/Betreuung in häuslicher Umgebung.