Es war einmal ein reicher Kaufmann, der hatte zwei Kinder. Der Sohn August war furchtbar dumm, lungerte den lieben langen Tag herum und starrte Löcher in die Luft. Die Tochter allerdings war sehr schlau und interessierte sich für die Geschäfte ihres Vaters. Aber gerade das ärgerte den Kaufmann, denn er wollte, dass August später einmal seinen Handel übernehmen sollte. Darum schickte er ihn auf eine berühmte Schule. Nach einem Jahr kam der Sohn zurück, und der Kaufmann fragte ihn, was er dort gelernt hätte. Der Bursche antwortete stolz: „Ich kann jetzt Gedichte vortragen.“ „Das brauchst du nicht für das Geschäft“, brummte der Vater und schickte ihn auf eine noch bessere Schule. Wieder verging ein Jahr, bis August heimkehrte. Sofort wollte der Kaufmann wissen, was er denn dieses Mal gelernt hätte. „Ich kann jetzt wunderbare Lieder singen“, bekam er zur Antwort. Auch damit war der Vater nicht zufrieden. Nun sandte er seinen Sohn für ein weiteres Jahr auf eine der berühmtesten Lehranstalten des Landes. Doch bei seiner Rückkehr konnte er den Kaufmann wieder nicht zufrieden stellen. Als August antwortete: „Ich kann jetzt Theater spielen“, war der Vater außer sich. „Geh mir aus den Augen!“, rief er, gab dem Burschen fünfzig Dukaten und schickte ihn in die weite Welt hinaus. Das Geschäft vererbte er nun schweren Herzens seiner schlauen Tochter.
Ungefähr ein Jahr später bekam der Kaufmann Besuch von einem befreundeten Händler. Dieser war schon viel in der Welt herumgekommen und vor nicht allzu langer Zeit am Königshof gewesen. „Du wirst es nicht glauben, wen ich dort gesehen habe! Deinen Sohn!“ „August, meinen August?“, fragte der Kaufmann. „Ja, ich musste auch ein zweites Mal hinsehen. Er ist ein großer Minnesänger geworden und spielt am königlichen Hoftheater.“ „Das kann nicht sein. Du musst dich getäuscht haben. August ist doch viel zu dumm, um an den Königshof zu gelangen.“ „Was ich gesehen habe, das habe ich gesehen. Und es wird gemunkelt, dass er in Kürze die Königstochter heiraten soll.“ Der Kaufmann konnte nicht glauben, was er von dem Händler erfahren hatte. Doch schon am nächsten Tag brachte ein Bote ihm eine Einladung zur Vermählung seines Sohnes mit der Prinzessin. Als der Vater August wiedersah, fragte dieser: “Kannst du singen? Kannst du Gedichte vortragen? Kannst du Theater spielen?“ Jedes Mal musste der Kaufmann mit „Nein“ antworten. Da entgegnete der Sohn: „Du siehst, was ich gelernt habe, war nicht schlecht, denn mit Spielen und Singen kann man sogar König werden.“ Erst jetzt erkannte der Vater, dass sein Sohn nicht dumm, sondern sehr begabt war.