Es war einmal vor langer Zeit, da lebte eine Bauernfamilie. Damals nahm man die strengen religiösen Regeln sehr ernst. Der Winter war zu Ende und die Fastenzeit hatte angefangen. Es gab in dieser Zeit weder Fleisch noch Milch, auch keine Eier. Die Bauernfamilie hatte auf ihrem Hof allerhand Vieh. Eine Kuh, ein Ochse, ein Pferd und eine Ziege standen im Stall. Ein Hund und ein Kater streunten auf dem Hof herum. Auch hatte die Familie ein Gänse- und Entenpaar sowie ein Hasenpärchen. Ebenfalls tummelte sich eine Schar Hühner in einem Gehege. Im Frühjahr legte das Federvieh viele Eier. Die Bäuerin ärgerte sich immer, wohin damit in der Fastenzeit? Es war schon zum Mäusemelken, dass die Tiere gerade dann so viele Eier legten, wenn sie niemand essen durfte. Da kam die Bäuerin auf die Idee, die Eier zu kochen, denn dann hielten sie sich länger. Aber ein gekochtes und ein rohes Ei sehen gleich aus. Daher legte die Frau die frischen in einen Korb und die gekochten in einen Topf. Ein Jahr war vergangen, auch die Fastenzeit war beinahe vorüber, als die Bäuerin am Karfreitag aus der Vorratskammer Rote Beete holte und abkochte, um daraus zum Mittagessen einen Salat zu machen. Aus Versehen nahm sie den Topf mit den gekochten Eiern. In diesem Moment kam ihr ältester Sohn in die Küche und zeigte seiner Mutter einen kleinen Hasen. Die Bäuerin war so entzückt, dass sie ohne zu überlegen die Rote Beete in den Topf zu den Eiern legte. Sie goss Wasser darüber und kochte das Gemüse. In der Zwischenzeit spielte sie mit ihrem Sohn und dem kleinen Hasen. Auch ihr zweiter Sohn und ihre kleine Tochter kamen dazu. Die Zeit verging und die Rote Beete war weich. Die Bäuerin nahm den Topf vom Herd und ging vor die Tür, um das Wasser, welches rot wie Blut war, abzugießen. Der Junge brachte inzwischen das Tierchen zurück zu seinen Haseneltern, vergaß aber, den Stall zu verriegeln. So dauerte es nicht lange und die Hasen machten einen Ausflug. Dabei schnupperten sie auch am Gemüsewasser und bekamen rote Nasen. Auch ihr Fell schimmerte bald rot. Der Topf war abgekühlt und die Bäuerin holte das Gemüse heraus. Dabei traute sie ihren Augen nicht. Das Kochwasser hatte die Eier rot gefärbt. „Vielleicht geht das auch mit Zwiebelschalen, denn vom Zwiebel schälen bekomme ich immer gelbe Finger“, überlegte sie, probierte es sofort aus und siehe da, die Eier wurden gelb. „Jetzt versuch ich es noch mit Heidelbeeren. Hab ja vorigen Sommer genug davon eingeweckt“, freute sie sich und der Saft hinterließ tatsächlich eine sehr schöne blau-lila Farbe. Die bunten Eier versteckte sie so, dass ihre Kinder sie nicht finden konnten. Am Nachmittag kam der Bauer in die Küche und schimpfte ganz fürchterlich: „Wir müssen die gesamten Hasen schlachten, die haben bestimmt eine Krankheit! Vielleicht ist es Rotlauf, so wie sie aussehen. Jemand hat den Hasenstall aufgelassen und jetzt laufen sie auf dem Hof herum.“ Als die Bäuerin die Worte hörte, war ihr sofort klar, was geschehen war und beschwichtigte ihren Mann. „Es ist bestimmt nichts Schlimmes, die Hasen sind sicher alle gesund und munter. Wir werden sie ein paar Tage beobachten.“ Doch sie erzählte keinem, wie das geschehen konnte. Schnell fingen die Kinder die Tiere wieder ein. Die Bäuerin hatte sich für den Ostersonntag etwas Schönes für ihre Kinder ausgedacht. Mit dem ersten Hahnenschrei verließ sie ihr Bett, holte die bunten Eier aus der Speisekammer, versteckte sie im Garten und ließ die zahmen Hasen frei. Als wäre nichts gewesen, bereitete sie daraufhin das Frühstück für die Familie. Zu ihren Kindern meinte sie lächelnd: „Holt doch mal zum heutigen Fest ein paar Osterglocken aus dem Garten. Die Blumen möchte ich noch mit auf den Frühstückstisch stellen.“ Draußen strahlte die Sonne vom Himmel. Ein wirklich schöner Ostersonntag. Die Kinder liefen in den Garten, entdeckten freudestrahlend die bunten Eier, holten sich Körbchen und sammelten alle ein. Zwischen den Beeten liefen die Häschen geschäftig hin und her. Der jüngste Sohn bemerkte, dass die Farbe der roten Eier mit den Flecken auf den Hasenfellen übereinstimmte und erzählte seine Entdeckung den Geschwistern. Nun war ihnen klar, wer die Eier gefärbt und auch versteckt haben mussten. Die Kinder waren aus dem Häuschen. An Blumenpflücken hatte keiner mehr gedacht. Es war der schönste Ostersonntag, den die Kinder je erlebt hatten. Irgendwann einmal erzählte die Bäuerin die Geschichte ihrem Mann. Er lachte und lobte seine kluge Frau. So löste sich auch das Rätsel um die roten Flecken auf den Hasenfellen auf. (C) F. Buchmann