Gut drei Jahre lang, von 1961 bis 1964, verhalf der West-Berliner Student Dietrich Rohrbeck Ostdeutschen in die Freiheit. Jahrzehnte lang schwieg er darüber. Ende 2020 erschienen seine Erinnerungen, jetzt ist er im Alter von 85 Jahren verstorben.
Seine Hoffnung blieb unerfüllt. „Ich kenne kein einziges der sechzehn Kinder, die ich 1962/63 aus der DDR herausgeholt habe“, schrieb Dietrich Rohrbeck in seinen Ende 2020 als Buch erschienenen Erinnerungen: „Das ist wirklich sehr schade. Sie sind heute alle um die sechzig. Es ist einer meiner größten Wünsche, jemanden kennenzulernen, den ich damals als meine Tochter ausgegeben habe.“
Doch es sollte nicht sein: Weder nach dem Erscheinen eines ganzseitigen Artikels über den Fluchthelfer und „Babyschmuggler“ Rohrbeck in der WELT AM SONNTAG 2017 noch nach der Publikation seines als Non-Profit-Projekt konzipierten Buches meldete sich jemand bei ihm oder seinem Verlag, um zu erzählen. Ende September 2021 ist Dietrich Rohrbeck im Alter von 85 Jahren verstorben. Am 15. Oktober 2021 wurde er in Hamburg beerdigt. Seine Erinnerungen sind seine für die Öffentlichkeit gedachte Hinterlassenschaft.
„Als freiheitsliebender Mensch empfand ich den Bau der Mauer als tiefen Einschnitt in die persönliche Freiheit der Menschen“, begründete er seinen gut dreijährigen, lebensgefährlichen Einsatz als Fluchthelfer: „Auch meine Kommilitonen waren betroffen. Eigentlich hatte ich genug mit meinem Studium an der Staatlichen Ingenieurschule in West-Berlin zu tun. Doch meine Gedanken kreisten immer wieder um die nun ,eingesperrten’ DDR-Bürger. Vor dem Mauerbau hatte ich in meinem Semester noch 33 Kommilitonen gehabt, im Herbst des gleichen Jahres waren wir gerade noch 17.“
Rohrbeck war selbst aus der DDR geflüchtet, im März 1955. Zu dieser Zeit lebte er in Zittau und absolvierte eine Ausbildung an der Fachschule für Landwirtschaft. Doch dort machte er eine höchst unangenehme Erfahrung: In seine Klasse kamen Anfang 1955 mehrfach Werber der Kasernierten Volkspolizei, dem Vorläufer der Nationalen Volksarmee. Die Offiziere sollten junge Männer verpflichten – mit Unterstützung der Lehrer. „Freiwillig“, wie es hieß.