Ameneh vor und nach dem Attentat. Sie hat ihre Gefühle auf Band gesprochen.
Teheran –
Ihr Gesicht, einst wunderschön, ist eine einzige Wunde. Nase, Kinn, Stirn - alles verbrannt. Ihr linkes Auge ist mit Haut überzogen, ihr rechtes Auge ein schmaler Schlitz. Sehen kann Ameneh Bahrami nicht mehr. Aber weinen kann sie noch, Tränen des Zorns. Sie will, dass ihr Peiniger so leidet wie sie. Auge um Auge, Säure um Säure. Und das unmenschliche Gesetz der Scharia hilft ihr dabei.
Rückblende 2002: Ameneh Bahrami ist eine junge Studentin an der Universität Teherans, will Chemikerin werden. Majid, ein Kommilitone verliebt sich in sie. Immer wieder lässt er seine Mutter bei ihrer Mutter anrufen und um die Hand der Tochter anhalten. Doch die Bahramis winken ab. Der liebeskranke Verehrer gibt nicht auf, verfolgt sie zwei Jahre lang. Sie greift zur Notlüge, sagt ihm, dass sie geheiratet habe. Da schmiedet Majid einen teuflischen Plan. Er kauft sich ein Säurefläschchen für umgerechnet drei Euro, schüttet ihr die ätzende Schwefelsäure ins Gesicht. Sein hasserfüllter Anblick wird das Letzte sein, das die junge Frau zu Gesicht bekommt. Seitdem lebt sie in völliger Dunkelheit, zurückgezogen im Haus ihrer Eltern in Teheran. „Ich hasse ihn“, sagte Ameneh noch im vergangenen Jahr in einem Interview mit „Brigitte“. „Auch wenn er mich nicht getötet hat, hat er mein Leben zerstört.“ Das Einzige, was ihr und ihrer Familie heute noch Kraft gibt, ist der Wunsch nach Rache. Die gesetzliche Legitimation haben sie aufgrund der 1300 Jahre alten Scharia-Gesetze: Der Täter soll das erleiden, was er seinem Opfer angetan hat. Mutter Shahin will die Strafe vollziehen, dem Mann die Säure ins Gesicht gießen.
„Vielleicht“ hätte sie von Vergeltung abgesehen, wenn er im Gericht Reue gezeigt hätte, „aber da war nichts“, sagt Ameneh leise. Und ihre Mutter rechtfertigt die grausame Tat: „Es geht uns darum, die Männer abzuschrecken und dafür zu sorgen, dass andere Frauen in Sicherheit leben können.“ Bisher konnten weder Proteste von Menschenrechtsorganisationen sie umstimmen noch die iranische Justiz, die ihr 40.000 Euro Blutgeld bot.
Majid hat gegen das Urteil Einspruch erhoben, wartet in Haft auf die Entscheidung. Er will Ameneh übrigens immer noch heiraten...mehr ......