Erwachsene Kinder müssen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich für den Unterhalt ihrer pflegebedürftigen Eltern aufkommen, auch wenn sie sich von ihnen schlecht behandelt fühlen. Nur im Ausnahmefall entfalle die Unterhaltspflicht, entschied der BGH am Mittwoch in Karlsruhe.
Karlsruhe (dapd). Ein Sozialhilfeträger, der die Kosten für den Bewohner eines Pflegeheims übernommen hat, könne von dessen Kindern generell eine Erstattung verlangen. Das Gesetz fordere 'familiäre Solidarität'.
Im vorliegenden Fall bekam die Stadt Gelsenkirchen recht, die vom 48-jährigen Sohn einer seit April 2005 in einem Pflegeheim untergebrachten und inzwischen verstorbenen, psychisch kranken Frau die Erstattung der Heimkosten von rund 40.000 Euro forderte.
Die Stadt hatte als Sozialhilfeträger die Heimkosten zunächst übernommen. Der Sohn weigerte sich, die aufgelaufene Summe als sogenannten Elternunterhalt zu zahlen, weil die an Schizophrenie leidende Mutter ihn als Kind 'nie gut behandelt' habe. Für ihn wäre es eine 'unbillige Härte', wenn er gegenüber der Stadt für den Unterhalt der Mutter aufkommen müsse, argumentierte er. In der Vorinstanz war er damit gescheitert. Der BGH wies nun die Revision des Mannes zurück.
Die Richter betonten, dass die 'schicksalsbedingte' Krankheit der Mutter und deren Auswirkungen auf den Sohn es nicht rechtfertigten, 'die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden'. Eine psychische Erkrankung der Mutter könne nicht als ein 'schuldhaftes Fehlverhalten' betrachtet werden, aus dem ein Wegfall des Unterhaltsanspruches gegenüber dem Sohn folgen würde.
Die Mutter litt schon vor der Geburt des Sohnes im Dezember 1961 unter einer Schizophrenie, war tablettenabhängig, antriebsschwach und hatte Wahnideen. Seit 1969 waren regelmäßig stationäre Aufenthalte notwendig gewesen, 'um die Mutter vor sich selbst und ihre insgesamt zwei Kinder vor der Mutter zu schützen', wie der Anwalt des Sohnes in der Revisionsverhandlung betonte.
Die Mutter habe die Kinder jeden Tag, an dem sie zu Hause war, 'zwangsgebadet', weil sie unter einem Wasch- und Reinlichkeitszwang gelitten habe. Sie habe deshalb auch Kleidung der Kinder zerschnitten. Zudem seien die Kinder mehrfach 'ausgesperrt' worden. Wenn der Vater bei der Arbeit war, hätten sie manchmal stunden- und tagelang vor der verschlossenen Haustür gestanden. Teilweise seien sie wochenlang bei Nachbarn aufgenommen worden. Die Mutter hatte den Sohn nur bis zur Scheidung von ihrem damaligen Ehemann im Jahr 1973 versorgt - jeweils unterbrochen von ihren Klinikaufenthalten.
Eine Ausnahme für die Unterhaltspflicht von Kindern hatte der BGH beispielsweise in dem 2004 entschiedenen 'Kriegsheimkehrer-Fall' gesehen. Damals urteilte der BGH, dass der psychisch kranke Vater gewissermaßen für den Staat seine Gesundheit geopfert habe. Deshalb müsse der Staat für ihn sorgen, das erwachsene Kind dürfe nicht mit Unterhaltszahlungen belastet werden.