Die Zeit, wie wir sie im Gehirn wahrnehmen, läuft alles andere als gleichmäßig ab: Sie rast im Alter immer schneller und tickt im Gedächtnis anders als im Moment des Erlebens. Zeit lässt sich durch Gefühle stauchen oder dehnen, wird vom Herzschlag beeinflusst und Erinnerungen können in der Reihenfolge vertauscht werden. Die Gegenwart dauert gerade mal drei Sekunden und letztlich ist der scheinbar kontinuierliche Fluss der Zeit nichts als eine Illusion.
Der Fall liegt schon etliche Jahre zurück und ist doch immer wieder irritierend: Eine 75 Jahre alte Rentnerin wurde in Frankreich von einer Freundin zum Arzt gebracht, weil sie ihren Mann vermisste. Sie hatte ihn überall gesucht und vermutet, er sei mit einer Bekannten ausgegangen. Doch dann stellte sich heraus: Sie wusste genau, dass er bereits Jahre zuvor an Krebs gestorben ist. Wie konnte das passieren?
Eine neurologische Untersuchung der Patientin ergab: Ihr Zeitgefühl war völlig durcheinander geraten. Sie konnte weder Datum, Wochentag noch Uhrzeit nennen und auch nicht einschätzen, wie viel Zeit zwischen zwei Ereignissen vergangen ist. Sie brachte Erinnerungen in eine wirre, unlogische Reihenfolge. Den Tod ihres Mannes beispielsweise listete sie in einem Test auf, bevor er in Rente ging. Für sie waren die älteren Erinnerungen an ihren Mann jünger als die an seinen Tod. Und deshalb glaubte sie, er müsse irgendwo sein – und suchte nach ihm.