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„Massenaussterben“: Wie sehr bedroht der Rückgang der Artenvielfalt unsere Lebensgrundlage?
Wissenschaftler:innen warnen vor dem Aussterben vieler Pflanzen- und Tierarten. Sie sprechen gar von einem „Massenaussterben“. Die ersten Folgen sind schon längst sichtbar und drohen sich zu verschlimmern.
Wie ein Damoklesschwert schwebt der Rückgang der Artenvielfalt nach Ansicht einiger Wissenschaftler:innen über unserer Gesellschaft. „Da braut sich was zusammen“, sagt Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt am Main. Die Wissenschaftlerin untersucht seit langem den Rückgang der Biodiversität in Deutschland und Mitteleuropa. Anlässlich der sich zuspitzenden Problematik widmet sich auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Jahresversammlung 2021 am Freitag diesem Thema.
Pflanzenschutzmittel und schwindender Lebensraum fordern Opfer
Die Abnahme der Biodiversität lasse sich gut an Langzeitbestandstrends nachvollziehen, sagt Böhning-Gaese, die Mitglied der Leopoldina ist. Insbesondere bei den Vögeln gebe es eine vergleichsweise gute Datengrundlage. Neben vielen weiteren Arten sehe sie besonders starke Rückgänge bei den Vögeln der agrargeprägten Landschaft.
„Bei uns in Deutschland und in Mitteleuropa liegt das Problem in der Agrarlandschaft, also Wiesen, Weiden und Äcker“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Gründe dafür seien komplex. Die übergeordnete Ursache sei, dass die Landwirtschaft auf reine Produktivität ausgerichtet ist. „So viel produzieren, wie irgendwie möglich.“
Begleiterscheinungen seien Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat, hohe Düngeraten und eine Veränderung der Anbaukultur hin zu Monokulturen, die zum Verlust von Hecken, Bäumen und Brachflächen führten. Die geringe pflanzliche Vielfalt wirke sich schließlich auch auf die Tiere aus, beispielsweise auf Vögel denen die Brutstätten und Verstecke fehlten.
Insekten besonders stark betroffen vom Artenschwund
Eines der „dramatischsten Ergebnisse“ von Langzeituntersuchungen sei bereits 2017 veröffentlicht worden. Bürgerwissenschaftler:innen hatten zusammen mit Statistikern innerhalb von 27 Jahren „einen Rückgang um mehr als 75 Prozent der Biomasse an Fluginsekten“ beobachtet. „Das hat damals eingeschlagen und gezeigt, dass wir ein massives Problem in Deutschland und in Mitteleuropa mit dem Insektensterben haben.“
Die Folgen der fehlenden Biodiversität seien schon jetzt sichtbar, sagt Böhning-Gaese. Es fehlten in der Fläche Bestäuber wie Bienen. Dies zeige sich mitunter am Ertrag der Obstbäume, deren Fruchtbildung geringer ausfalle. Zwar könnten Landwirt:innen dann mit Bienenstöcken nachhelfen, doch der Rückgang der Wildbienen sei dennoch sichtbar und mit Folgen für den Bestäubungserfolg verschiedener Pflanzen behaftet.