Ich hatte kurz nach dem Mauerfall das Vergnügen nach Halle / Bernburg zu fahren, , muss sagen war schon ein merklicher Unterschied zum Westen, da waren z.B. Gaststätten mit Paulaner Bier Werbung, nur das Bier gabs nicht Man fuhr eine Straße entlang bog ab und stand plötzlich vor einem riesigen Kohleberg mitten auf der Straße. Die Luft war zum schneiden das war so ein Schwefel / Kohle Geruch, die Augen haben gebrannt. Geteerte Straßen waren eher Mangelware , war alles Kopfsteinpflaster und ein Schlagloch folgte auf das andere. Aber die Leute waren gut drauf, und unsere Verwandtschaft hat man auch mal wieder gesehen. Das geilste Erlebnis war aber die Fahrt von Bernburg nach Halle, denn wir wollten abends mal einen drauf machen nur in Bernburg war ja nichts los, also ab nach Halle. Ein Taxi musste her, also haben wir eines organisiert, ich meine am Bahnhof standen da welche, wir waren zu fünft ....zwei Taxen wegen einen zu viel ? Kein Problem, wir sind dann zu sechst ( inkl. Fahrer ) in eine Moskwitsch von Bernburg nach Halle gefahren Beim Bahnübergang hat der Auspuff Funken geschmissen es war der Hammer, wir hatte zu sechst in dem Taxi mehr Gaudi als in der Kneipe in Halle
Quidquid agis prudenter agas et respice finem! Auf Deutsch: Was auch immer du tust, handle klug und berücksichtige das Ende.
Es war auf jeden Fall nicht so schön und bunt wie heute. Ich war bereits zur Wende selbständiger Handwerksmeister. Ab 1990 aber konnte ich erstmals frei Material bestellen, bekam Werkzeug und erstmals ehrliche gute Bezahlung. Wichtiger aber war, sich ab sofort frei bewegen zu können. Fast jeden Punkt der Erde besuchen zu können.... Somit erklärt sich unser damaliges Dasein: Wir waren improvisierende kreative Menschen, die trotz des Dauer-Eingesperrtseins nie verzagten. Zurück will keiner in die rote Knechtschaft, egal wie stark er auch heute mal meckert.
Ich hatte einen Brieffreund in Cottbus. Der hat uns zu sich eingeladen 1990 im Frühjahr. Damals sind wir ~ 3500 km durch die DDR gefahren um es mit eigenen Augen zu sehen. War von Bautzen über Dresden,Magdeburg usw. über weite Teile im Osten unterwegs. Zum Teil mit meinem Brieffreund und seiner Frau, zum späteren Teil mit meiner Frau allein. Bin heute noch befreundet. Ja es hat nach Zweitakter gerochen, ja es war vieles im Argen, aber die Menschen waren Deutsche wie wir! Mich hat damals schon immer geärgert, dass wir von den Ostdeutschen Städten und Gegenden, sowie den Menschen, so weinig wußten. Mein Freund schrieb mir ja nur verhohlen die Wahrheit, aber wenigsten das tägliche Leben. Ich bin heute noch Dankbar, dass es so gekommen ist, wenn auch manches hätte……!Nachher ist man immer schlauer.
Und schaut Euch um! Kohl hatte völlig recht mit seinen blühenden Landschaften. Dass es um einiges länger dauern würde als 3 Jahre, war aber allen Praktikern klar. Ein Aufbauvorbild war der Lothar Späth. Was der in Jena vollbrachte, waren Meilensteine. Das ganze Gegenteil (in meinen Augen) war der Kurt Biedenkopf. Karrierist in einer Villa mit Sozialwohnungsmiete.... Ich verstehe nicht, solchen Raffke-Gestalten heute noch einen Heiligenschein anzuheften. Ein Macher war auch MP Albrecht aus Niedersachsen. Der hat Quedlinburg sofort hunderttausende Dachziegel bereitgestellt, um den Verfall der historischen Altstadt sofort zu stoppen. Ich bin generell unendlich dankbar, auch dass der Umbruch ohne Tote ablief.
Volker, da hast du Recht. So ohne Tote, so etwas ist noch nicht oft geschehen. Mich hat nur geärgert; Jahrzehnte hat man vom geeinten Deutschland gesprochen und als es soweit war, wollte man es aus der Portokasse bezahlen. Die Oberen waren doch oft genug drüben und wußten wie es auschaut. Also ich habe einiges gewußt von Leuten die mal dort waren auf Montage. Ich habe auch gewußt wie es in den Firmen zum Teil zugeht. Nur die D-Mark hat den Leuten keine Zeit gelassen. Da ist vieles auch von Westdeutschen Pleitegeiern geschluckt worden. Da war nichts vorbereitet, nicht einmal Gedanklich. Aber sich dann verhalten als ob man alles in der Hand hat. Es ist Vergangenheit.
So ist es @Dirk! Bis ich mich selbständig machte, war ich von 1977 bis 1985 in einem Polystyrolbetrieb, dem VEB Plastopack. Das war ursprünglich eine Böttcherei, die um 1970 auch tausende Sperrholzfässer für die chemische Industrie fertigte, auch Polystyrolverpackungen und -Blöcke. Ebenso eichene Holzbottichwaschmaschinen. Die kosteten in der Herstellung schon um die 750 Mark. Die wurden aber suventioniert und an die Bevölkerung für unter 400.-Mark verkauft. So etwas war tausendfache Praxis, die DDR musste pleite gehen!
1972 wurde mein Betriebsbesitzer vom Staat vergewaltig. Er bekam den Vaterländischen Verdienstorden und musste dafür seinen Betrieb abgeben. Der Kuhhandel war, dass er Direktor blieb aber der Bezirkswirtschaftsrat das sagen hatte.
Dieser Herr Karl-August Loch war für mich so etwas wie ein väterlicher Freund. Zur Wende waren in "seinem" Betrieb um die 350 bis 400 Beschäftigte. Über Nacht brachen alle Abnehmer weg und der Betrieb musste die weiße Fahne hissen. Von der Treuhand bekam Karl Loch dann erst seinen Betrieb wieder, hatte aber Millionen Schulden an der Backe, da alle früheren Betriebserweiterungen nun zugerechnet wurden. Im Nachbarort wurde ein hochmoderner aber gleichwertiger Betrieb erbaut. Investoren waren Schweizer und da mischte ein ehemaliger Fachdirektor, mein früherer Technischer Direktor mit. Jetzt wurden Arbeitskräfte angeworben. Fast alle aus der alten Belegschaft. Jeder, der Arbeit im neuen Werk haben wollte, musste erstmal 2 bis 3 Wochen kostenlos arbeiten. "Probezeit". Mein Technischer ist vom Kommunisten zum Vorzeigeausbeuter mutiert.
Plastopack in Harzgerode aber ging vor die Hunde. Lediglich einige Hallen wurden vermietet, deckten aber sicher nie die laufenden Kosten. Mein Chef ist nie daran zerbrochen, hat aber ganz gewaltig darunter gelitten. Sein Betrieb, das Lebenswerk dreier Generationen, steht heute noch als Mahnmal, in weiten Teilen als Ruine am Stadtrand. Es gab also in der DDR enteignete, die nach der Wende ein zweites Mal von altroten Seilschaften über den Tisch gezogen wurden.