Da riss der Mutter die Geduld endlich, und sie rief: „Komm, Rübezahl, und friss mir den Schreihals!“ Alsbald stand Rübezahl in der Gestalt eines rußigen Köhlers vor ihm und sprach: „Hier bin ich.“ Die Frau zitterte vor Schrecken, doch sagte sie: „Ich bedarf deiner nicht mehr, die Kinder sind jetzt ruhig.“ Rübezahl antwortete: „Weißt du nicht, dass man mich nicht ungestraft ruft? Gleich gib mir den Schreier, dass ich ihn fresse!“ Damit streckte er die Hand nach dem Jungen aus – aber wie eine Gluckhenne, die ihre Jungen verteidigt, stürzte sich die Frau auf Rübezahl und fasste ihn bei den Haaren. „Das Herz“, rief sie, "musst du mir aus dem Leibe reißen, ehe du mir mein Kind raubst!“ Rübezahl lächelte unter dem kühnen Angriff und sprach: „Nun, nun, beruhige dich, ich bin kein Menschenfresser. Lass mir aber den Knaben; ich will ihn halten, wie einen Junker und einen tüchtigen Kerl aus ihm ziehen. Fordere tausend Dukaten, und ich zahle sie dir!“ Die Frau lachte: „Nicht um alle Schätze in der Welt sind mir meine Kinder feil.“ „Törin“, versetzte Rübezahl, „hast du nicht noch drei, die dir Last genug machen? Musst du dich nicht mit ihnen placken und kümmerlich ernähren?“ – „Wohl war“, antwortete die Frau, „Aber ich muss tun, was meines Berufes ist. Kinder machen Last, aber auch Freude.“ Eine Frau begegnete einen Geist Sie verschaffte den Geist Aufmerksamkeit. Die Frau hatte ein Baby auf dem Arm und noch zwei andere, an den Händen. Ein Junge war etwas älter und trug einen Korb an der Hand, der andere kleine Junge trug ein Rechen. Sie wollten Laub harken und sammeln für ihr Vieh. Die Mutter hatte immer gute Laune bei ihrer Arbeit. Doch die Kinder störten sie oft bei der Arbeit. Da den Kindern das langweilig war, fingen sie an ungeduldig zu werden, oder fingen an zu weinen. Doch sie bekam es immer wieder hin, sie zu beruhigen. Dann legte sie den Kleinsten auf den Rasen und er schlief dann. Dann ging sie mit den anderen und sucht Himbeeren, Brombeeren oder Erdbeeren. Bald wachte der Ganzkleine auf. Die Mutter nannte ihm Rübezahl und sagte zu ihm, hier iss ein paar Beeren. Als der Kleine sie gegessen hatte, wurde er so groß, wie der echte Rübezahl. Da bekamen die Mutter und die beiden anderen Kinder Angst und zitterte. Doch Rübezahl beruhigte sie. Er sagte: „Ich bin doch dein Kind und Mütter tut man nicht, sondern beschützt und hilft sie“. Rübezahl wollte weggehen und wollte einen anderen Jungen, einen Bruder mitnehmen. Doch das wollte die Mutter nicht. Am liebsten wünschte sich, dass Rübezahl wieder ein Baby wird. Doch diesen Gefallen tat Rübezahl nicht. Darum ging er in die Welt und auch in das Riesengebirge. Dort lebt er schon fast einhundert Jahre. Die Mutter ist schon lange tot und seine Geschwister sind uralt. Doch Rübezahl ist bei guter Gesundheit. Er denkt oft an seine Mutter und ärgert sich, dass er nicht bei ihr geblieben ist. (c) Friedrich Buchmann