Hartz-IV-Empfänger als Lösung des Pflegekräftemangels? Berufsverbände sind entsetzt über einen entsprechenden Vorschlag der Bundeskanzlerin.
BERLIN (hom). Mit scharfer Kritik haben Vertreter von Pflegeverbänden auf den Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagiert, künftig verstärkt Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) in der Kranken- und Altenpflege einzusetzen. "Ich bin entsetzt über die Entgleisung unserer Kanzlerin, Hartz-IV-Empfänger als Lösung für den Personalmangel in der Pflege zu diskutieren", sagte der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, der "Ärzte Zeitung".
Der Vorschlag Merkels sei ein "Schlag ins Gesicht von 1,2 Millionen engagierten Pflegekräften, die eine harte Ausbildung durchlaufen, die sich weiterbilden und weit über ihre Belastungsgrenzen hinaus arbeiten". Von "politischen Hinterbänklern" sei er Empfehlungen dieser Art gewohnt. "Aber nicht von der Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland".
Der Chef des Deutschen Pflegeverbands, Rolf Höfert, nannte die Äußerungen Merkels einen "weiteren Beleg für mangelnde Wahrnehmung der wirklichen Probleme in der Pflege durch die Bundesregierung". In der Pflege würden nicht bloß Hände, sondern vor allem "qualifizierte Köpfe gebraucht". Beim Thema Ärztemangel käme auch niemand aus der Regierung auf die Idee zu empfehlen, "dass nur jede zweite Stelle von einem Arzt und nicht von Hartz-IV-Empfängern besetzt wird", so Höfert.
Merkel hatte in der "Bild am Sonntag" erklärt, bei mehr als zwei Millionen Hartz-IV-Empfängern, "die arbeitsfähig sind, aber keinen Job finden", sei nicht einzusehen, dass Pflegekräfte künftig nur noch aus Osteuropa kämen. Experten gehen davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 300 000 zusätzliche Pflegekräfte in Deutschland nötig sind, um den wachsenden Pflegebedarf abdecken zu können.
Der Präsident des Verbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, erklärte, eine „Zwangsverpflichtung“ von Arbeitslosen sei der „falsche Weg und löst die Probleme nicht“. Die Pflege alter, kranker und gebrechlicher Menschen erfordere „Motivation, Fachkenntnis und persönliche Eignung“. Dies gelte für einheimische wie ausländische Arbeitskräfte, so der bpa-Chef. Der Verband vertritt bundesweit rund 6500 ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen.