Schutzengel Herbert hat dieses Mal die Aufgabe von Großengel Gabriel sich um den Querschnittgelähmten Rudolf zu kümmern. Er soll sein Leben besser machen und soll ihn wieder in eine Familie Eingebunden werden. Herbert hat sich etwas ausgedacht und versucht heilig Abend damit Fortschritte zu machen.
Mein Nachbar ist heilig Abend allein, ach was, ich lade ihn einfach ein. Ich kaufe ihm noch ein kleines Geschenk, dann weiß er, dass ich an ihn denkt.
Neben unserem Haus wohnt Rudolf, ein älterer Herr. Er ist querschnittsgelähmt und hat vor zehn Jahren im Sommer seine Frau und seinen elf jährigen Sohn durch einen Autounfall verloren. Er selber hat das Unglück überlebt und ist seitdem an den Rollstuhl gefesselt. Als Erinnerung an seine geliebte Familie sitzt auf seiner Couch ein kleiner, brauner Teddy. Rudolfs Leben ist zurzeit sehr hart und eintönig. Es kommen täglich der Pflegedienst und zweimal die Woche Frau Müller, die die Wohnung aufräumt. Ansonsten ist er allein. Doch seit kurzem besucht den querschnittsgelähmten Mann der kleine Anton von nebenan. Rudolf holt dann immer das dicke Märchenbuch seines Sohnes aus dem Schrank und liest dem Nachbarsjungen vor.
Die schönen Geschichten begeistern stets beide und der Junge kommt gern herüber, um ihnen zu lauschen. Herber lässt seine Gedanken auf den kleinen Anton, den Nachbarjungen einwirken und so beschied folgendes.
Es ist Heiligabend. Anton wird vom Weihnachtsmann beschert und unter den Geschenken ist auch ein neues Märchenbuch. Nachdem der Junge seine Gaben begutachtet hat, fragte er: „Mutti, können wir nicht den Rudolf heute Abend zu uns holen? Dann ist er nicht so allein und kann sich mit uns freuen und mir aus dem neuen Märchenbuch vorlesen. Ach, Mutti, sag ja!“ Die Mutter schaut aus dem Fenster. Sie bemerkt, dass bei ihrem Nachbarn noch Licht brennt und nickt. „Oh ja! Papa Komm, wir holen Rudolf!“ Beide gehen zur Wohnung des kranken Mannes und klingeln. Es dauert einige Zeit, da geht die Tür auf. Vor ihnen steht Rudolf in seinem Rollstuhl. Freudestrahlend fragt Anton: „Guten Abend Rudolf, kommst du mit zu uns rüber und schaust dir meine Weihnachtsgeschenke an? Ich habe ein neues Märchenbuch bekommen, da könntest du mir gleich etwas draus vorlesen.“
Der einsame Mann sagt sofort: „Ja! Doch warte, ich muss nur schnell noch einmal in meine Wohnung. Ich komme gleich mit.“ Er fährt zurück und kommt mit einer größeren Tüte wieder. Als Rudolf in das Wohnzimmer seiner Nachbarn kommt, übermannt es ihn und Tränen laufen über seine Wangen. Der Anblick des Weihnachtsbaums und zum Heiligen Abend nicht allein sein zu müssen, lässt seine Augen feucht werden.
„Ihr macht mir eine große Freude“, kommt es leise über seine Lippen. Dann überreicht Rudolf seinem kleinen Freund die mitgebrachte Tüte. Es schimmert etwas Braunes aus der Öffnung. Anton holt den Teddybären vor, der bei seinem Märchenonkel immer auf dem Sofa gesessen hat. Der einsame Mann trennte sich von seinem Heiligtum, dem Plüschbären seines verstorbenen Sohnes.
Anton freut sich, doch seine Eltern noch mehr. Sie können das Geschenk sehr gut einordnen. Auch Rudolf erhält ein Päckchen von seinen Nachbarn. Erneut laufen Tränen der Rührung über sein Gesicht. Es ist Jahre her, seit er zum Weihnachtsfest etwas bekommen hat. Dann zeigt Anton ihm das neue Märchenbuch und es dauerte nicht lange, bis Rudolf eine Geschichte vorliest. Danach meint er: „Das Märchenbuch ist aber dick, da kannst du mich oft besuchen kommen.“
Was der Schutzengel bisher erreicht hat, ist für ihn noch nicht genug, er hat für Rudolf eine riesengroße Überraschung.
Die Zeit vergeht wie im Fluge. Plötzlich klingelte es an der Tür. Der Vater schaut nach und ruft: „Rudolf, hier ist Besuch für dich!“ „Das kann doch nicht sein! Wer kommt, mich besuche? Mein Bruder wohnt in Kanada und ansonsten habe ich keine Verwandtschaft mehr.“ Dann steht ganz unverhofft sein Bruder im Wohnzimmer. Wieder laufen Rudolf die Tränen übers Gesicht. Aber dieses Mal sind es Tränen der Freude. „Wir wollten dich überraschen, doch bei dir in der Wohnung brannte kein Licht, so haben wir eben beim Nachbar geklingelt, um uns zu erkundigen.“ Nun kommen auch noch Rudolfs Schwägerin und deren Enkelin Kathrin ins Zimmer. Was für eine Freude. Anton und Kathrin haben gleich Freundschaft geschlossen und spielen miteinander. Der Vater holt eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank und auf das Wiedersehen wird angestoßen.
Rudolfs Bruder ist anschließend noch sechs Wochen in Deutschland geblieben. In dieser Zeit haben sie Rudolfs Wohnung verkauft und ihn für immer mit nach Kanada genommen. Seit dem hat der einsame Mann wieder eine richtige Familie. Sein kleiner Freund Anton bekommt immer noch regelmäßig Post aus Übersee. Seine Märchen muss der Junge allerdings nun alleine lesen.
Der Schutzengel Herbert hat einmal wieder seine Arbeit mit Bescheidenheit zur Befriedigung für alle gemacht und Großengel Gabriel ist mit ihm sehr zufrieden. (C) F. Buchmann