Weg von den Zumutungen der Großstadt und dem Leistungsdruck des Kapitalismus: In den 1920er-Jahren entstehen in Mecklenburg, Holstein und der Lüneburger Heide FKK-Anlagen. In der "Jungmöhl" etwa leben manche Siedlerfamilien das ganze Jahr über.
"Jungmöhl" am Plauer See wird zum Nudisten-Paradies
Radikal anders leben: Am Plauer See in Mecklenburg wird das ab 1929 probiert - in der privat betriebenen FKK-Anlage "Jungmöhl" des "Lebensreformers" Johannes Müller. Er möchte in Mecklenburg seinen Lebenstraum verwirklichen. Es ist sein zweiter Anlauf. Der erste in Bayern scheitert an missgünstigen Nachbarn, übereifrigen Polizisten und einer Anklage wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Müllers Verbrechen: ein nackter Hintern bei der Getreideernte. Der Sohn eines Baptistenpredigers wagt deshalb den Neuanfang in Mecklenburg. "Ich habe mir manchmal Gedanken darüber gemacht, ob bei dem Weg, den mein Vater gegangen ist, auch vielleicht ein Teil Aufsässigkeit gegen das Elternhaus dabei war", fragt sich Tochter Renate Eichner. Sie ist heute 89 Jahre alt und kann sich gut an die Zeit in der "Jungmöhl" erinnern.
Spartanisches Leben ohne Fleisch und Kaffee
Bild entfernt (keine Rechte) Die "Jungmöhl"-Gäste versorgen sich mit dem, was der Garten hergibt. Alkohol und Nikotin sind verpönt.
Den "Jungmöhl"-Gästen verspricht Johannes Müller "Ferien vom Ich". Morgens ruft er sie per Gong zur Gymnastik am Seeufer. "Da bin ich dann mit, mein Vater mit Tamburin vorneweg", so Eichner. "Und dann wurde Frühsport gemacht und ins Wasser gegangen. Nachher musste man dann zusehen, wie man trocken wurde." Denn das Abtrocknen mit Handtuch ist verpönt. Müllers Methode: Trockenfrottieren. "Das waren bestimmte Übungen, die sich immer wiederholten, bis man den ganzen Körper mehr oder weniger trocken hatte."
Die "Jungmöhl"-Unterkünfte sind spartanisch. Alle "Lichtlufthütten" sind aus Schilf, haben weder Fenster noch Türen. Auch beim Essen geht es einfach zu. Weder Fleisch noch Alkohol oder Kaffee. Obst und Gemüse kommen aus dem eigenen Garten. Ein großer Spaß sind Touren mit dem Dampfer "Loreley". Das Charter-Boot schippert die Nackten durch die Mecklenburgische Seenplatte. Das sorgt für viel Aufsehen. Um noch mehr Gäste anzulocken, schaltet Müller Anzeigen in FKK-Zeitschriften.
Es wird ein stetes Auf-und Abebben sein, mit dem Umgang der natürlichen Nacktheit. Den Gründervätern der FKK sind wir im Osten, speziell auch auf den 2 Pläzen wo ich agierte, doch am nächsten gekommen. Der C26 war ein abgeschiedener Zeltplatz, den jeder im Jahr nur während seiner kurzen Urlaube nutzen konnte. Dauercamping kam im Osten erst so Mitte der 1980er Jahre auf, ebenso damals die Stasiüberwachung. Mit der Schließung des Platzes, durch eine westdeutschen zugelaufenen Straßenhändler, der einst von der Treuhand als würdigster Betreiber gesehen wurde, kam unser Aus. In 1996 haben dann die sich lange kennenden Campingfreunde zu einem Verein der "Sonnen-und Naturfreunde e.V." zusammengeschlossen. Luftlinie 3 km weiter am Mössensee sind wir wie Neusiedler auf einer privaten Koppel neben dem Textilplatz C25 aufgeschlagen. Fleeter Altbesitzer bekamen über die Treuhand ihr angestammtes Land zurück und so konnten wir von ihnen knapp 3 ha pachten. Nach 12 Jahren Laufzeit ist der Platz dann auch vertraglich in ihr alleiniges Eigentum übergegangen. Eine aufgeschlossene Gründertruppe hat den Platz ohne jede Parzellierung aufgeschlossen, eingezäunt, ein Sanitärhaus gebaut. Der Platz ist immer noch eigenständig über den Verein verwaltet. Dauercamper werden immer noch gesucht. Alles Treiben aber ist rückläufig. (Wir haben ja auch mit meiner Verrentung 2006 dort die Segel gestrichen.) FKK findet heute, wenn dann in unserem uneinsehbaren Grundstück statt. Zum Schwimmen muss ich allerdings mindestens 4km Radeln.