Elisabeth Müller (Name geändert) muss kurz überlegen. „Mein Mann“, sagt sie dann, „liegt nun schon neun Jahre lang.“ Seit seinem Schlaganfall ist er halbseitig gelähmt, er kann nicht mehr richtig essen, trinken, gar nicht mehr sprechen. Von heute auf morgen war er auf fremde Hilfe angewiesen. Was - wie so häufig - bedeutet: Seine Frau weicht ihm nicht von der Seite und das mit größter Selbstverständlichkeit. „Wir sind schließlich seit über 50 Jahren verheiratet.“ Er ist in der höchsten Pflegestufe und die Pflegekasse zahlt monatlich eine Sachleistung von 1432 Euro. Ein Teil des Geldes geht an den ambulanten Pflegedienst, der sich morgens und abends um den fast 80-Jährigen kümmert. Elisabeth Müller ist nur zwei Jahre jünger, und „Gott sei Dank noch fit“, sagt sie. Eine Kur hat sie dennoch dringend nötig. Das hat ihr der Arzt bescheinigt. Drei Wochen Auszeit will sie sich nehmen und gibt ihren Mann in die Obhut eines Krankenhauses. Als pflegende Angehörige hat Müller nämlich Anspruch auf eine so genannte Verhinderungspflege. Das bedeutet, einen Anspruch auf eine Vertretung auf bis zu vier Wochen im Jahr. Müller könnte sogar eine stundenweise Vertretung beantragen, damit sie mal Zeit zum Einkaufen hätte.
Um die stationäre Kurzzeitpflege ihres Mannes bezahlen zu können, hat sie bei der Pflegekasse 1432 Euro zusätzlich zur Sachleistung beantragt. Doch nicht sie selbst erhält das Geld, wie es viele Betroffene irrtümlicherweise vermuten. „Das ist manchmal missverständlich formuliert“, sagt Müller, die in den Wochen vor ihrer Kur viel telefonieren musste, um herauszufinden: Ja, es gibt Geld. Aber das geht gleich an die Pflegereinrichtung.
Auch die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch sind längst nicht jedem bekannt: „Verhinderungspflege kann ein Angehöriger beantragen, der mindestens ein Jahr lang pflegt“, sagt Heike Nordmann von der Verbraucherzentrale. Tritt die Pflege-Reform ab Juli in Kraft, sind allerdings nur noch sechs Monate nachzuweisen. Außerdem werden die Leistungen bei der Kurzzeitpflege ebenso schrittweise angehoben wie die vollstationären Leistungen in der Pflegestufe III sowie in der Stufe III für Härtefälle. „Weiterhin wird das Geld nur zusätzlich zur Verfügung gestellt, wenn der Angehörige ansonsten auch einen Großteil der Pflege selbst übernimmt und sie nicht vollständig in professionellen Händen liegt“, sagt Nordmann. Erwerbsmäßiger Ersatz
Anders sieht es aus, wenn die Ersatzpflege von nicht erwerbsmäßigen Personen, zum Beispiel Ehrenamtlern übernommen wird. Dann zahlt die Pflegekasse nur den Betrag des Pflegegeldes. Maximal 1432 Euro zahlt sie nur, wenn die Ersatzpfleger höhere notwendige Aufwendungen, zum Beispiel Verdienstausfall oder Fahrtkosten nachweisen können. Künftig gilt die Vermutung, dass keine erwerbsmäßige Pflege vorliegt, wenn die Ersatzpfleger mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm gemeinsam leben.
Wer nicht Sachleistung, sondern Pflegegeld bezieht, muss zunächst auch mit weniger rechnen. In diesem Falle tritt lediglich die Leistung der Verhinderungspflege an die Stelle des Pflegegeldes. Wer aber welchen Anspruch hat, ist auch nach der Lektüre im Sozialgesetzbuch nicht eindeutig festzustellen. Eine klare Zu- oder Absage hat auch Müller nicht sofort bekommen. „Die Empfehlung an die Versicherten muss unbedingt lauten, dass die persönliche Beratung bei den Krankenkassen extrem wichtig ist, da es sehr viele individuelle Fallkonstellationen gibt“, sagt Christian Kluge von der „BKK der Partner“.
„Ich bin zwar dankbar für die Unterstützung, die mir eine Kur ermöglicht“, sagt die 78-Jährige. Doch lange und viel sparen muss sie gleichwohl: Für die Pflege Herrn Müllers ist zwar gesorgt. Aber das Geld der Pflegekasse reicht eben nur für die Pflege. Die Verpflegung sowie die Unterkunft im Krankenhaus muss sie selbst zahlen. Und: „Ich bringe dann auch noch die Medikamente mit und solche Sachen wie Pflaster, Wattestäbchen und Kompressen.“ Eine letztes Problem muss sie noch lösen. Ihr Mann kann nur liegend transportiert werden, die Rechnung geht auch an sie.