Ich wollte nie behindert sein, doch musste ich in den Rollstuhl rein. Es kribbelte, mir wurde kalt da lag ich nun, war krank und alt. Ich konnte wirklich nicht mehr gehen, das musste ich erst einmal verstehen. Immer noch denke ich dran, dass ich wie ein Reh mal sprang. Nun lieg ich da, so ganz allein, und wein und wein und wein und wein. Wollte nie behindert sein, man hilft mir, ich merke, ich bin nicht allein.
Die Leute schauen mich fragend an, war das nicht der sportlich starke Mann. Was ist bloß mit dem geschehen, der kann ja gar nicht richtig gehen. Ich wollte nie behindert sein, doch musste in einen Rollstuhl rein. Irgendwo tief in mir, möchte ich so sein wie ihr. Aber das, das wird nie wieder ganz geschehen ihr werdet mich nie mehr richtig laufen sehen. Wollte nie behindert sein, man hilft mir, ich bin nicht mehr so allein.
Der Arzt sagt, es sieht für mich gut aus, ich komme aus dem Rollstuhl raus. Nehme Tabletten und mache Therapie, das kannte ich doch früher nie. Ich laufe und fahre wieder Rad, doch abends fühle ich mich so richtig matt. Mein Leben, ach das ist ja wieder schön, man muss es eben mit anderen Augen sehen. Wollte nie behindert sein, man hilft mir, ich bin nicht mehr ganz allein.
Bald geht es mir wieder gut, ich habe wirklich richtig Mut. Es wird zwar nicht mehr so wie es mal war, ich weiß das, es ist mir alles klar. Ich singe manchmal vor mir hin, nun weiß ich, was ich kann und wer ich bin. Meine Familie, ja die steht zu mir, ich möchte wieder sein wie ihr. Doch irgendeinmal wird das geschehen, glaubt mir, dann kann ich wieder richtig gehen. Wollte nie behindert sein und trinke auch schon mal ein Gläschen Wein. Ja, wollte nie behindert sein, man hilft mir, ich bin nicht mehr ganz allein.
November, der 17te 1989. Der Himmel grau, Wolken behangen. Ich sitze im Büro meiner Kollegen. Frühstück! Das Telefon klingelt. Meine Kollegin nimmt ab und spricht kurz. Sie legt auf. „Du möchtest zum Chef kommen!“ Ich bin Wirtschaftsförderer in der Kreisverwaltung. Stehe auf und gehe eine Etage tiefer. Dann das Gespräch mit dem Chef. Chefs haben immer Recht, auch wenn sie die Zusammenhänge nicht kennen. Eine halbe Stunde, dann war das Gespräch zu Ende. Es ging um ein 80 Millionen-Projekt im Landkreis. Mein Kopf brummte und schmerzte. Ich holte mir noch eine Tasse Kaffee und setzte mich in mein Büro. Das waren schon harte Vorwürfe. Die scheiß Amis. Betrüger!!! 80 %, der Investoren, die in unserem Kreis investieren wollte, waren Glücksritter. Hatten es meistens nur auf Fördermittel abgesehen und der Staat machte mit. Die Amis wollten 300 Millionen DM bei uns investieren. Gestern, der Anruf von den Bahamas, hat das Projekt wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Der Kreis hat 80 Millionen in den Sand gesetzt. Dafür muss eine Oma, ihr lebenslang stricken und hat es noch nicht zusammen. Plötzlich, was war das? Meine Stimme. Ich sprach als ob ich besoffen war. Es war ein Lallen. Mein Kollege, der gekommen war, fragte: „Ist was?“ Mein Kopf schmerzte. „Naeinn!“ Doch ich hörte es auch. Mein Kollege ging. Ich saß nun hinter meinen Schreibtisch und mir wurde es, von Minute zu Minute, schlechter. Ich rief meine Sekretärin an und sagte zu ihr: „Mir geht es nicht so gut“. Dann rutschte ich vom Stuhl. Plötzlich merkte ich, dass mir jemand Backpfeifen gab. Es war eine andere Kollegin und sie sagte zum mir: „Nicht einschlafen! Nicht einschlafen!“ Die Tür ging auf und der Notarzt mit zwei Rettungssanitäter kam rein. Ehe ich mich versehen hatte, lag ich aus der Intensivstation des Kreiskrankenhauses. Ich war an einem Haufen Apparate angeschlossen. Vier Menschen Standen um mein Bett herum. Ich konnte mich, an die letzte Stunde, nur an Bruchstücke erinnern.
Auf der Intensivstation
Ich hab den Tod gesehen, er war da. Er sagte: „Na, kommst du zu mir, ich warte hier.“ Mein Herz klopfte schneller, um mich wurde es heller. Dann ein Schmerz, es klopfte das Herz. Da stand er nun im weißen Kittel, eine Spritze schütteln.
Dann ein Stich, der Schmerz wich. Ich machte die Augen zu und kam zur Ruh. Der Tod er war weg, stand nicht mehr an den Fleck. Er wollte mich holen, kam auf leisen Sohlen. Ich wollte nicht mit, ich werd wieder fit. Man hilft mir, hier.
Man wollte mich untersuchen. Alles war gut. Bis auf meine Stimme, das Lallen. Zwischenzeitlich waren meine Frau und ein Kollege von mir gekommen. Sie sprachen mir Mut zu. Bei der Verabschiedung, drückte ich meine Frau ganz fest. Nun lag ich hier auf der Intensivstation. Ich beobachtete den Tropf und überlegte. Es gab Abendbrot. Ich aß alles auf. Ich konnte mich gut bewegen, Es war dann so gegen 19.00 Uhr. Meine linke Körperseite fing an zu jucken. Es war so als ob, tausende von Ameisen in meiner linken Körperseite krabbelten. Ich klingelte nach der Schwester und dann ging alles schnell. Der Oberarzt und noch zwei andere Ärzte kamen. Ich bekam noch einen anderen Tropf. Doch was war plötzlich mit mir los. Ich konnte meine linke Seite nicht mehr bewegen. Ich fing an zu heulen. Dann kam ein Arzt und ich bekam einen Blasenkatheter. Die schrecklichste Nacht in meinem Leben hatte begonnen. Ich habe kein Auge zu gemacht und fast die ganze Nacht geheult. Ich hatte einen Schlaganfall. 5 Wochen Krankenhaus. 17 Wochen Kur in der Kurklinik BAVARIA in Kreischa / Sachsen. Ich kam zwar ohne Rollstuhl zurück nach Hause, aber dafür mit einem Krückstock. Konnte mühsam damit laufen. Mein Leben hatte sich von Grund auf verändert. Aber das ist bei jedem Menschen so, der einen Schlaganfall hatte. Im nach hinein kann ich noch sagen. Ich hatte Glück im Unglück. Mir geht es jetzt einigermaßen. Andere hat es noch viel, viel schlimmer getroffen. Ich wünsche keinem Menschen diese unheilbare Krankheit. Jeder Tag mit der Krankheit kostet Kraft und man fragt sich: Wie lange hat man diese Kraft? Zwanzig Jahre kämpfe ich schon. Auch der Schlaganfall hat mir etwas Positives gebrach. Ich fand Freunde, die auch so etwas durch habe und nach dem Schlaganfall konnte ich plötzlich dichten und Märchen schreiben. Habe ich das als Wirtschaftförder gelernt? Nein! Neben den abgestorbenem Windungen im meinen Gehirn, wurde ein Teil des Gehirn besonders aktiviert. Seit dem kann ich das. Die Amis haben eine Studie über dies Phänomen gemacht. Ein Patient konnte plötzlich sehr viele mathematische Formeln, doch leider konnte er nichts mit anfangen. Schade!
Im nach hinein kann ich noch sagen. Ich hatte Glück im Unglück. Mir geht es jetzt einigermaßen. Andere hat es noch viel, viel schlimmer getroffen. Ich wünsche keinem Menschen diese unheilbare Krankheit. Jeder Tag mit der Krankheit kostet Kraft und man fragt sich: Wie lange hat man diese Kraft? Zwanzig Jahre kämpfe ich schon. Auch der Schlaganfall hat mir etwas Positives gebrach. Ich fand Freunde, die auch so etwas durch haben und nach dem Schlaganfall konnte ich plötzlich dichten und Märchen schreiben. Habe ich das als Wirtschaftförder gelernt? Nein! Neben den abgestorbenem Windungen im meinen Gehirn, wurde ein Teil des Gehirn besonders aktiviert.
@Friedrich Dieses Mal gibst Du uns kein Märchen zu lesen, sondern Deine eigene, wahre Geschichte. Darin hast Du die Endzeit Deines alten Lebens, den Schicksalsschlag mit Nahtoderfahrung und den alle Kräfte fordernden Rehabilitationsprozess verarbeitet. Dass dieser Teil des Genesungsvorgangs doch recht märchenhaft verlaufen ist, kann man oben lesen. Du hast völlig Recht, wenn Du schreibst:
Es wird zwar nicht mehr so wie es mal war, ich weiß das, es ist mir alles klar. Mein Leben, ach das ist ja wieder schön, man muss es eben mit anderen Augen sehen. (F.B.)